24. Übliche duftende Fracht

Verfasst am: 14. Oktober 2003 von Barbara Keine Kommentare

Die Segelschiffe, so erzählt Jorge Amado zu Beginn seines Romans "Das Verschwinden der heiligen Barbara", brachten als "übliche duftende Fracht" Ananas, Anakarden und Mangos zum Markt im Hafen der Unterstadt von Salvador-Bahia. Seit Jahrhunderten bringen die Schiffe solche Ladungen vonGemüse und Obst auf den Markt der großen Städte Brasiliens. In solchen Mengen und in solcher Vielfalt, dass einem die Augen übergehen.

Also, Anakarden sind die Früchte des Cajúbaumes. (Mehr habe ich darüber nicht gefunden und weiß nicht einmal, wie sie aussehen. Ganz bestimmt aber haben wir sie schon irgendwie gegessen.) Es sind süße leckere Früchte zur Herstellung von Süßspeisen.
Ananas, Orangen, Mangos – welch ein herrlicher Duft liegt da über dem Hafen, dem Markt, schwebt in der Luft…

Ich kenne noch Wochenmärkte ohneeine einzige Banane, ohne Apfelsinen und Zitronen, nur mit Kartoffeln und Äpfeln und im Herbst manchmal mit blauen Zwetschgen, Bohnen und Gurken zum Einlegen. Im Winter gab es dann nur noch Kohl, nämlich Rot- und Weißkohl.  Ein solcher bäuerlicher Gemüsemarkt war jedoch früher für meine Augen die Herrlichkeit schlechthin.

Jetzt sind durch die portugiesischen Obstläden und die bunten Marktstände hier meine  Ansprüche schon sehr gehoben. Aber was ich da in Rio und in Salvador gesehen und geschmeckt habe, übertrifft alles.

Am ersten Tag unseres Aufenthaltes zeigte uns Alexander in Rio de Janeiro einen Obst- und Gemüseladen, in dem die paradiesischsten Früchte zu großen Bergen aufgetürmt waren, und zwar Früchte, die ich noch nie geshen hatte und die so enorm groß und köstlich waren, dass wir wie Alice im Wunderland im Laden herumliefen und die niedrigen Preise und das große Angebot bestaunten. "Ihr könnt euch eine Frucht kaufen und sie gleich auspressen lassen", wusste Alexander. So probierten wir Ananassaft mit Pfefferminzblättern aus, Mangos, Maracujas, Orangen und  - jeden Tag etwas anderes. Herrlich. Und dass es zum Frühstück Papayas oder Ananas oder Mangos gab, fand ich himmlisch. Auch das Frühstück im Hotel in Salvador bot all das jeden Morgen an: Melonen ohne Ende, Ananas in Scheiben, geschälte Papayas, Mangostücke, frisch gepressten Orangensaft. Es war unglaublich.
Diese riesigen Früchte und diese niedrigen Preise.

Wir hatten an der Ecke einen Getränkestand entdeckt, der uns hundert verschiedene Säfte anpries mit noch nie gehörten Namen. "Gut, heute trinken wir  mal Cajá oder Cajorana oder Cajú oder Mamão, morgen dann Pitanga, das kennen wir noch nicht, was ist das denn?" Der Saftheini überschlug sich vor Glück und erklärte uns alles so wortreich und enthusiastisch, dass wir es noch immer nicht wissen, und jubelte ständig, dass dieser Saft der allerbeste sei. Der gestern war das aber auch schon.

Also genossen wir die seltsamsten Obstsorten wie Pinhal und Carambola, löffelten irgendwelche Matschfrüchte aus und erhielten auf sämtliche Fragen immer nur den Hinweis, dass diese köstlichen Gewächse zur Zubereitung von Süßspeisen, Gelees, Speiseeis und Säften dienen.
Was ist das für ein Land, in dem man an jeder Ecke, ja, sogar im Liegestuhl am Strand für wenig Geld Früchte, Kokoswasser, Obstsäfte und Leckereien kaufen kann.
Du liegst am Strand, döst vor dich hin und wirst von allen Seiten bedient: "Möchtest du dies oder das haben, kaufen, essen, trinken? Möchtest du mehr Schatten, möchtest du bequemer sitzen?" Es war uns unmöglich, einfach im warmen Sand zu sitzen und auf das Wasser zu schauen – es wurde uns unmöglich gemacht durch die diensteifrigen Leute am Strand, die alle ein bisschen verdienen wollten, – fast zuviel Service. Wir sehnten uns manchmal nach unserem einsamen Dünenstrand zurück.

Aber hier am einsamen Strand kommt niemals eine lachende, wogende Baiana mit Gebäck und Süßigkeiten vorbei. Keiner verkauft einem für ein paar Cent eine Kokosnuss mit Strohhalm. Keiner stopft dich mit süßem Brei und fettgebackenen Kringeln voll. Keiner bietet dir eine Armbanduhr und glitzernden Schmuck an. Am portugiesischen Alantikstrand träumen wir von den Baianas mit den grellbunten Lampenschirmröcken und dem prachtvollen Turban, ihrem strahlenden Lachen und von allem, was sie einem verkaufen wollen. Ach, diese wunderschönen, aufgeputzten Frauen mit der "üblichen duftenden Fracht".

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