Das Familienfoto
In der Mitte lacht die Jubilarin, umrahmt von zwei blühenden Töchtern, die eine schwarz gelockt, die andere blond gewellt, und unterstützt von Ehemann und ältester Tochter. Vor ihnen sitzen Sohn und Schwiegersohn und das einzigartige Enkelkind. Das ist das Familienfoto, das sechs Jahre lang allen Kummer und alles Heimweh heilte. Aber nun bedurfte es einer Erneuerung – im Reformationsjahr 2017 allemal! Denn das einzigartige Enkelkind ist erheblich gewachsen, die schwarzen Haare des Sohnes sind weniger geworden, die des Schwiegersohns gar weiß, das Leben hat seine Spuren hinterlassen.
Deshalb fragten wir im Fotostudio des Nachbarortes, wo sonst Passfotos und Bewerbungsfotos hergestellt werden oder auch wunderschöne Hochzeitsalben ausgestattet werden, ob denn ein Termin frei sei für ein entsprechendes Familienfoto?
„Aber ja doch, sogar zu dem gewünschten Termin!“, versprach Paula – nur dass sie die Gruppe von Menschen wohl schlecht in dem kleinen Studio zu einem gefälligen Ensemble zusammenstellen könne. Sie schlug vor, das ersehnte Foto im angemessenen Ambiente anzufertigen, nämlich im Parkgelände bei der Kirche der Nossa Senhora. Das Casting Date wurde allgemein bekannt gegeben.
Bis alle dazu benötigten Models beisammen waren, bedurfte es unermüdlicher Überzeugungskraft: Musste doch der eine aus USA, – mit entsprechender Zeitumstellung und auf Adlers Schwingen (TAP AIR), die anderen vom Osten, vom Norden und vom Westen herbeibeordert werden. Wir wollen niemand langweilen, aber überlegen Sie einmal, was das für Anstrengungen und Telefongespräche sein müssen!
Nun waren sie alle da! Das Geschwader wollte aufbrechen, aber der Himmel schien zu bedeckt zu sein für eine Freilichtaufnahme. Also: „Das Ganze schwenkt, der Mensch denkt, Gott lenkt …“. Eine Hauptdarstellerin suchte die Telefonnummer des Fotostudios heraus, um den Termin zu ändern, die Location zu wechseln und die Fotografin woanders hin zu dirigieren. Sie hätte das auch durchgesetzt, wenn ihr der Rest der Beteiligten das erlaubt hätte.
So kam es, dass man doch gemeinsam in eine Richtung strebte und zur vereinbarten Zeit betriebsfertig auf der Straße stand. Das „Betriebsfertig“ bezog sich aber nicht auf das Familienauto, denn das hatte am Tag vorher trotz professioneller Mercedesreparatur die Werkstatt fehlerhaft verlassen. Technisch erläutert: Es verlor das gesamte Kühlwasser und musste abgeschleppt werden. Ein Teil der Fotostars setzte sich deshalb schon mal in ein unscheinbares Alltagsgefährt und wollte frohgemut losfahren. Doch der andere Teil war noch nicht so weit, da eben erst aus dem Schlaf erwacht und mit Jetlag behaftet.
Man wartete … .
Wegen fehlender portugiesischer Paciencia fuhr der erstgenannte Teil, weil preußisch erzogen, pünktlich ab. Ahnungsvoll allerdings auch: Wussten die anderen überhaupt, wohin sie sollten? Dank sei Smartphone und Co., sie würden es schon finden.
Mit der Fotografin traf man am vorgenannten Ort zusammen. Inzwischen war der Himmel aufgerissen und hingerissen betrachtete man die Menschenmassen, die ebenfalls zum Shootingtermin erschienen waren. Etwa zu unserem? Ach, nein, da war eine Hochzeit zugange. Und nicht nur eine! Die zweite, die nächste bahnte sich bereits ihren Weg in der Hochzeitskutsche…. .
Die Fotografin versuchte für das Familienfoto den geeigneten Hintergrund auszuloten: Gerne hätte sie das Kirchlein als angemessenen Background für die Familie gehabt, doch die Hochzeitsgäste gruppierten sich zu langsam und unordentlich zu dem Foto. Also nahm die Fotografin die Gelegenheit wahr und die Kamera in die Hand, gab ihre Regieanweisungen klar und deutlich von sich und schoss geschult die Gesellschaft ab. Diese verließen daraufhin hochbeglückt den Schauplatz und das Familienfoto hätte stattfinden können, wenn doch nur endlich die bessere Hälfte schon eingetroffen wäre.
So drapierte man sich in Einser- oder Zweiergruppen vor einem niedlichen grünen Busch.
Derweil trafen dann auch die restlichen Darsteller ein, dazwischen auch das nächste Brautpaar, das von einem jungen Priester im fliegenden Gewand empfangen wurde: Was hätte das für ein schönes Foto werden können: Familienfoto mit vorbeiflatterndem Priester. Paula hatte alle Mühe, den Fokus auf sich zu lenken.
Nach dem 17. Schuss war man so in Stimmung, dass man auch einen Hochzeitstanz hätte aufführen mögen. Zumal aus der Kirche über Lautsprecher die schönste klassische Musik erschallte. Was nun bei all den Anstrengungen für ein Foto herausgekommen ist, möchten Sie wissen?
Wir werden es auf Leseranfrage in den Mails aus meinem Dorf veröffentlichen… .
Wir sind gespannt auf die Auflösung und auch auf das Foto!
Ja bitte!