Die entscheidende Veränderung beim Festa Grandiosa 2015
Eine Woche vor dem Festbeginn hatten sich ein paar fröhliche arbeitswillige starke (jüngere) Männer am Wegekreuz eingefunden, das an der Gabelung steht: rechts geht es nach Ouca, links bei Dr. Gregorio vorbei nach Albergue. Sie schützten sich gegen die heiße Vormittagssonne mit verwegenen Schirmmützen und kühlem Bier aus Flaschen, sowie aufbauenden Gesprächen.
Es galt, den zusammengefallenen Sockel für das Wegekreuz zu erneuern. Das Marmorkreuz steht auf einer dreistöckigen Torte aus Steinen, Zement und Marmorplatten. Der erste kreisrunde Sockel von 3m Durchmesser ist 20 cm hoch. Darauf steht dann ein weiterer Sockel, auf dem man wie auf einer Rundbank sitzen kann. Hier erhebt sich dann auf einem dritten Sockel das weiße marmorne Kreuz, ein Schandpfahl mit der seltsamen bedenkenswerten Pilatus-Inschrift – nein, eben nicht I.N.R.I. , wie auf den meisten Kreuzen, sondern FESTAUSSCHUSS 2005.
Mich erinnerte das jedes Mal, wenn ich vorbeikam, so sehr an die Geschichte “Saisonbeginn”von Elisabeth Langgässer, wo ein Dorf sich im lieblichen Frühling für die Touristen schmückt und rüstet und am Ortseingang unter großem Einsatz ein Kreuz aufstellt.
Man denkt die ganze Zeit, die wackeren Männer bringen jetzt ein Kruzifix an, es ist ja Beginn der Passionszeit, vielleicht einen Hinweis auf die Passionsspiele…
Sie errichten den Pfosten, schlagen dann eine Tafel an und darauf steht – das Herz erschrickt und der Magen krampft sich dabei zusammen – man liest: IN DIESEM DORF SIND JUDEN UNERWÜNSCHT.
In unsrem Dorf stand seit 2005 auf der Anklagetafel statt des I.N.R.I Jesus von Nazareth, König der Juden – bei uns stand da seit 10 Jahren, dass der Festausschuss des Dorfes zum Tode verurteilt ist, angeklagt wegen – ja, wegen was? Zumindest wegen Unwissenheit und Starrsinn. Wir haben ihnen ja oft genug die Geschichte von Jesu Passion und seinem Tod am Kreuz erzählt und warum Pilatus das INRI auf die Tafel geschrieben hat und dass sie ihre Votivtafel mit dem bekennenden Namen der großzügigen Spender besser unten am Stamm des Kreuzes anbringen sollen, aber bitte nicht da mitten auf das Kreuz… Sie standen immer mit offenem Mund da und verstanden vielleicht nicht richtig…, die Anklageschrift blieb und blieb und blieb…
Und nun war der Sockel, der als Rundbank diente, eingefallen und sollte erneuert werden. Da hatten sie sich eingefunden und wollten an die Arbeit gehen und krempelten sich die Ärmel auf und spuckten in die Hände…
Ein erneuter Vortrag und die Bitte: “Bringt jetzt bitte die Tafel unten am Sockel an, sie gehört nicht ans Kreuz. Am Kreuz steht der Name und die Schuld unseres Herrn Jesus, versteht das doch endlich mal. Pilatus hat geschrieben: Hier am Kreuz hängt Jesus von Nazareth, der König der Juden. Hier hängt nicht der Festausschuss 2005. Seht das doch endlich nach 10 Jahren ein, bitte.”
Sie gaben keine Widerworte, keine Kommentare, keine Fragen von sich, sie standen ganz still da, mit der Batschkappe auf dem Kopf, mit der Bierflasche in der Hand, mit offenem Mund, mit ungläubigem starrem Blick…
Aber jetzt…
die Anklageschrift ist jetzt unter dem Kreuz angemauert, das Kreuz steht frei und fest gemauert auf der dreistöckigem Torte, da, wo sich der Weg gabelt.
Na also, geht doch!