Das Gotteskind
In der Einkaufsstraße kam uns eine glücklich lächelnde kleine “Märchenfrau” entgegen. Diese alte Frau mit weißen Haaren, einer wollenen Kappe, einem warmen hellen Mantel, klein und zierlich, schien wie aus einem Märchenfilm zu kommen, in dem solche freundlichen Wesen herumhuschen. Sie hatte keine “Bodenhaftung”, wie man heute sagt, sie war irgendwie nicht “ge-erdet”, ihr Gang hatte so etwas Leises, Schwebendes. Dieses Weiblein fiel so sehr auf, dass wir stehenblieben und sie anlächelten.
Sie wünschte uns einen guten Morgen und erklärte, dass sie so glücklich sei über den schönen Tag, über die Sonne, über den Frühlingswind und den blauen Himmel….
“Darf ich Ihnen etwas Schönes zum Lesen mitgeben?”
Wir sahen, dass es sich um den “Wachturm” handelte, das Traktat der Zeugen Jehovas.
“Nein, danke, aber Ihr Lächeln nehmen wir mit.”
Und Hagen fragte: “Wie lange sind Sie schon Zeugin Jehovas?”
Sie erzählte sehr bescheiden und glaubwürdig, dass sie mit ihrer Familie aus Ostpreußen gekommen ist, dass die Eltern erst sehr spät zu den Zeugen Jehovas gefunden hatten, dass sie sich aber alle wiederfinden werden, wenn die Erde erneuert wird und wir uns in Gottes Reich wiedersehen. Sie selbst habe als junges Mädchen die Liebe zu Gott Jehova gespürt, als sie einmal im Licht der Abendsonne eine herbstlich gefärbte Birke bewunderte. Dieser Baum im gleißenden Gold hat ihr Herz berührt und seitdem brennt sie für Gott Jehova.
Ein Gotteskind.
Ich werde in der nächsten Woche zur selben Zeit in der Straße warten, ob ich sie wieder sehe.
Kann aber sein, dass das nur ein Traum war.