Téatro Efémero: O Som do meu Silêncio

Verfasst am: 26. Januar 2013 von Barbara 1 Kommentar

O Som do meu Silêncio

Endlich spielten sie wieder im Téatro Aveirense Efémero.
Für mich das herrlichste Theater, das ich kenne, weil man so unversehens integriert ist und mitmacht, weil das Publikum so jung ist und so lebendig reagiert.
Allein diese Luft im Studenten-Experimentiertheater zu schnuppern.

Der Estaleiro war wieder als Guckkastenbühne verwandelt, auf der die Tanzshow zu sehen war. Der brasilianische Tanztherapeut Claudinei Garcia zeigte mit drei jungen Tänzerinnen und einem jungen Tänzer eine großartige Darstellung des Menschen von heute, wortlos und doch so beredt: “O Som do meu Silêncio” – nur hin und wieder Musik oder Geräusche wie Regen im Hintergrund.
Menschen mit ihren Krankheiten, Ängsten, Eigenarten und Verrücktheiten (wer ist schon “normal”und nicht ver–rückt?), Menschen im Miteinander und Gegeneinander. Bewundernswerte Akrobatik und ausdrucksstarke Gesten und Körpersprache. Die Kostüme waren Höschen und BHs oder lange Hosen und T-Shirts. Die nackten Körper waren so natürlich jung und unschuldig-anziehend, dass bei allen Berührungen und Bewegungen niemals ein Anflug von Obszönität entstand. Als einzige Requisiten gab es viele bunte Kleiderfetzen (meist T-Shirts), und für jeden Spieler stand ein großes Glas mit Wasser in den 5 Winkeln der Bühne, welch symbolisches Gefäß und welch symbolträchtiges Element: Wasser zum Trinken, zur Reinigung, als Wasser”spiegel”, als märchenhafte Andeutung für das “Wasser des Lebens”.

Das Publikum sah atemlos zu.

Nach einer Stunde unglaublich schöner körperlicher Darstellungskunst wurde begeistert applaudiert. Dann erschienen die Tänzer barfuß und mit Trainingsanzügen auf der Bühne, freundlich bereit, sich den Zuschauern und ihren Fragen zu stellen. Der Choreograph, Lehrer und Regisseur antwortete bescheiden, sanft und liebenswürdig in seinem leisen, verwaschenen Brasilianisch. Er erzählte, wie diese Tanz-Show aus seiner Arbeit als Therapeut hervorgegangen ist. Er strahlte viel Güte und Verständnis aus, und auch die jungen Mitspieler, wie sie da so am Bühnenrand saßen und erklärten, was sie selbst bei der Probenarbeit erlebt und erfahren hatten und wie aus ihrer Verstummung, ihrem Schweigen und ihrer Isolation der Ton, die Stimme, das Leben, ja, sie selbst entstanden, diese jungen Tänzer waren hinreißend, einnehmend. Sie “gaben den Zuschauern etwas”, wie man heute sagt.
Ja, wirklich: Das gab mir was, das brachtewas, das “kam rüber”.

Als wir mit den Zuschauern das Theater verließen und durch den verregneten Park zum Auto wanderten, sahen wir die Menschen in liebevoller Eintracht vor uns gehen, die Pärchen eng umschlungen. Und das bewies mir, dass die Botschaft angekommen war: Tanzen befreit und beschwingt und beseligt und befriedet.

Wieder einmal tauchte das Wort von Chrysostomos auf:

”Ich lobe den Tanz,
denn er befreit den Menschen
von der Schwere der Dinge,
bindet den Vereinzelten
zur Gemeinschaft.
Ich lobe den Tanz,
der alles fordert und fördert,
Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.
Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit,
des Menschen, der dauernd in Gefahr ist
zu zerfallen,
ganz Hirn, ganz Wille oder
ganz Gefühl zu werden.
Der Tanz dagegen fordert
den ganzen Menschen,
der in der Mitte
verankert ist.
Der nicht besessen ist
von der Begehrlichkeit
nach Menschen und Dingen,
noch von der Dämonie der Verlassenheit
im eigenen Ich.
Der Tanz fordert
den befreiten,
den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte.
Ich lobe den Tanz!
O Mensch, lerne tanzen!
Sonst wissen die Engel im Himmel
mit dir nichts anzufangen.”

Eine Antwort

  1. Hagen Seuffert schreibt:

    Das Erlebnis im Estaleiro hast Du sehr genau beschrieben. Es war in der Tat sehr beeidruckend, wie engagiert diese jungen Leute mit ihrem Lehrer aus Brasilien auf dem boden der Bühne vor schwarzem Hintergrund und mit hervorragender Führung der Beleuchtung agiert haben. Um welchen Chrysostomus handelt es sich? Ist es der berühmte orthodoxe Prediger “Goldmund” aus Constantinopel? wo hast Du dieses Gedicht gefunden?

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