Der Bischofsbesuch

Verfasst am: 18. März 2012 von Barbara Keine Kommentare

Der Bischofsbesuch

Beginnen wir mit dem Ende.
Heute nach der feierlichen Sonntags-Messe, in der 16 Jugendliche gefirmt worden waren und wir als Grupo Coral de S. Martinho de Ouca wie die Engel gesungen hatten, zogen die Firmlinge, die Geistlichen und Gemeindemitglieder aus der Kirche aus. Die Jugendlichen bildeten draußen auf dem Vorhof ein Spalier, um den Bischof zu verabschieden. Dieser aber stand im Stau, vielmehr in vollem Ornat mit Bischofsstab und Mitra im Vorraum und drückte tausend Hände und hatte für jeden ein gutes Wort und ein Lächeln.
Schließlich waren auch wir bis zu ihm vorgedrungen und wollten uns bedanken und „Auf Wiedersehen“ sagen, er spricht nämlich deutsch, weil er in Freiburg studiert hat. Als ich ihm wie alle andern 973 Gottesdienstteilnehmer beijinhos schenken wollte, sagte er fröhlich: „Ich habe schon eins Ihrer Bücher heute Nacht gelesen.“
Was? Wirklich?
Das ist ja nicht zu fassen!
Das sagt ein Bischof zu einer lutherischen Pfarrfrau, die als estrangeira in Portugal lebt, also doppelt fremdartig ist!
Und das nach diesem Mammutprogramm, das er bei seinem Pastoralbesuch in allen Dörfern der Parochie absolviert hat!
Ich habe mich wirklich ganz doll darüber gefreut!
Ich finde das erstaunlich und empfinde es als Anerkennung und als eine große Ehre, die mir zuteil wurde.

Das Buch hatte ich ihm gestern geschenkt, als er und der Ortspfarrer der Igreja Matriz uns überraschend einen Besuch abstatteten.
Wir wollten gerade nach Porto aufbrechen, wo in der livraria.velhotes meine Buchlesung mit Helga und Manuela stattfinden sollte. Und um ihm zu erklären, um welches Buch es sich handelt, drückte ich ihm und dem Padre ein Exemplar in die Hand. Sie nahmen es sehr interessiert auf, der Padre gab sogar einige Erklärungen dazu, und aus lauter Begeisterung schenkte ich dem Bischof noch das “Tagebuch” und den “Don Juan”. Nach diesem überraschenden freundlichen Besuch auf unserem bescheidenen Hof war ich schon ziemlich eingenommen und voller Verwunderung und Sympathie. Aber diese Bemerkung beim Abschied hat mich richtig überwältigt. Wer liest schon gleich das Buch, das ich verschenkte?
Hier im Dorf und in dieser Welt der Analphabeten und Literaturmuffel liest keiner, und wenn, dann spricht man nicht darüber. Der Oberbürgermeister von Wiesbaden allerdings sagte damals- ach, damals!! , als ich ihm die “Fröhlich springende Pfarrfrau” überreichte: “Oh, prima, die lese ich heute noch in der Badewanne.”
Aber hier? Schließlich sind und bleiben wir Außenstehende, Fremdlinge, “Andersgläubige”, estrangeiros, und gehören, wenn überhaupt, nur mit dem Herzen zur Gemeinde und zur Kirchenchormitgliedschaft.

Dieser freundliche Oberhirte aber machte mehr daraus. Schon bei seinem Einzug in das Dorf und in die Kirche war er auf Hagen zugekommen und hatte ihn brüderlich und warmherzig begrüßt. Dabei hatte er sogar einige Wörter auf Deutsch gesagt und seine Verbundenheit mit dem deutschen Bruder im Herrn zum Ausdruck gebracht. Auch während der Predigt legte er Wert darauf, zu betonen, dass wir alle Brüder sind und die Fremden gerne aufnehmen sollen: „ut omnes bonum sint“. Ich war von dieser Freundlichkeit beeindruckt.
Wenn ich nun trotzdem einige Beobachtungen am Rande erwähnen möchte, soll das ganz liebevoll verstanden werden.
Mir fiel auf, dass er sich tatsächlich “wie alle Portugiesen” auf früher schon beschriebene Art und Weise die Nase putzte (Diario am 27. Dezember). Und ich fand im paulinischen Sinne bemerkenswert, wie er nach der Eucharistiefeier den Hostienteller reinigte und plötzlich auf der blanken goldenen Platte sein Spiegelbild entdeckte und anlächelte (1. Kor.13,12: Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich’s stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin.).

Dieser Bischof hat durch seine Offenheit und Freundlichkeit alle Herzen gewonnen und sich für die überaus große Mühe der Gemeinde bedankt, indem er allen Zuwendung und Wohlwollen schenkte. Er gab allen das Gefühl, besonders wichtige Mitglieder in der Gemeinde zu sein. Von den Blumenschmückerinnen und den Palmzweigen-Dekorateuren bis zu den niedlichen Kindern, die im Gottesdienst ihre Gaben darbrachten, spielte jeder seine Rolle mit ganzer Hingabe und wurde dafür gelobt. Dabei fiel mir besonders der erste Bannerträger auf, der beim Einzug des Bischofs mit der Standarte voranschritt. Er hatte einen besonderen Rhythmus gefunden, bei dem er die Blumenarrangements auf dem herrlichen Blumenteppich der Strasse schonte: Alle zwei Meter waren besonders schöne Blumen gelegt worden, über die der Standartenträger nun hüpfend und anmutig hinwegstieg, was seinem Gang sehr beschwingt machte. Nach Jackys Ansicht ist das der sogenannte “Liturgische Blumensprung”.

Inzwischen hat der Wind den Teppich verweht, die Transparente zerzaust, aber die Erinnerung an die vielen freundlichen Gesten und Worte des Bischofs bleiben.

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