Oh Tannenbaum (portugiesische Melodie)

Verfasst am: 15. Januar 2012 von Barbara Keine Kommentare

Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum
Ein deutsches Weihnachtslied und seine portugiesische Adaption

Alle Jahre wieder greift der Kirchenchor in der Weihnachts- und Epiphaniaszeit nach einem Lied, das vom “Süßen Licht Gottes” spricht, welches aus der Höhe in unsere dunkle Welt scheint:
O luz de Deus, o doce luz
que brilhas nas alturas.

Und alle Jahre wieder scheint der Text nicht auszureichen, um die 3 Strofen zu Ende zu singen. Deshalb hört man dann früh gegen Ende auf und bricht einfach ab und lässt das Fragment stehen wie einen zu kurz geratenen Weihnachtsbaum.

Und alle Jahre wieder erhebe ich in der Chorprobe vorher leise und zutiefst unglücklich “Einspruch, Euer Ehren”, denn über diesem Lied steht ganz eindeutig “Deutsche Melodie”. Es ist unser Lied vom “Ohtannebaum” und ich fühle mich verantwortlich für das deutsche Liedgut, wir singen das ja schließlich schon seit wasweißichwieviel Jahren.
“Also, die ersten beiden Zeilen werden nicht sofort wiederholt, sondern erst nach der 3. und 4. Zeile”, sage ich alle Jahre wieder. Man hört mir durchaus freundlich zu, nickt zustimmend und fängt noch einmal von vorne an,
(im deutschen Text wäre das dann so):
“Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter”
und gleich danach die Wiederholung
“Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter,
du grünst nicht nur zur Weihnachtszeit,
nein, auch im Winter, wenn es schneit….”

Ende.

Tja, und dann beginnt man eben mit der zweiten Strophe, die ebenfalls nicht mehr mit dem Refrain beendet wird

“Ooch nee”, sage ich enttäuscht, “so geht das nicht. Ich singe es euch mal vor.” Ich stelle mich mutig hin und singe das portugiesische Weihnachtslied mit der deutschen Melodie und der Wiederholung der ersten zwei Zeilen am Ende jeder Strofe. Sie hören artig zu, klatschen Beifall, der Chorleiter greift in die Tasten und beginnt noch einmal von vorne.
“Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter”
und gleich danach die Wiederholung
“Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter,

Ich drehe mich überrascht und fragend zum Bass um: Hab ich mich denn nicht richtig ausgedrückt? Der Bass zuckt bedauernd die Schultern.

Der Ohtannebaum wird dreimal gekappt, und so bleibt das jetzt.

An Sonntag in der Messe wird wie alle Jahre wieder der kurz und klein gehauene deutsche Tannenbaum in der portugiesischen Fassung geschmettert und das süße Licht strahlt am Anfang wiederholt aus der Höhe, wohingegen das Ende offen bleibt, was aber wohl nur den deutschen Ohren sehr merkwürdig und störend vorkommt.

Nach der nächsten Chorprobe gehe ich zum Chorleiter und schlage seine Noten auf, um ihm zu zeigen, wo das Wiederholungszeichen ist.
“Ja”, sagt er fröhlich, “das haben wir ganz richtig gemacht. Das singen wir ganz korrekt, alle haben das schon immer so gesungen, schau mal, hier habe ich es hingeschrieben.” Er hat wirklich nach den ersten beiden Zeilen
“Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum,
wie grün sind deine Blätter”
sein eigenes Wiederholungszeichen gemalt und, um es nicht zu übersehen, daneben geschrieben BIS. Ganz selbstbewusst sagt er das, frei nach dem Pilatus-Wort:Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.
BIS. Das steht da nun schon seit Jahren. Da gibt es nichts dran zu rütteln.
BIS.

Also, dann BIS nächstes Mal.

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