Was mir spanisch vorkommt

Verfasst am: 20. Juni 2007 von Barbara Keine Kommentare

Der Padre aus Venezuela und die siegreiche Gemeinde

Da der kranke Padre, der den kranken Padre vertrat, nun von uns geschieden ist, kam ein andrer zur Vertretung herbei. Aus Caracas, Venezuela, wie er sagte. Die meisten Leute hier im Dorf haben in jungen Jahren in Venezuela gearbeitet und sprechen wohl noch recht und schlecht spanisch. Wahrscheinlich haben sie es aber auch schon vergessen und verdrängt. Jedenfalls lauschten sie sehr angestrengt, als der fremde Priester zum ersten Mal in unserem Dorf die so wohlbekannte Messe hielt, die plötzlich nicht mehr wiederzuerkennen war.
Obwohl ihm eine mexikanische Nonne assistierte und ihm die jeweilige Seite in der Agenda aufschlug und auf die passende Textstelle wies, verstanden wir alle nicht mehr so recht, was da vor sich ging.
Und alle passten auf wie die Luchse, damit sie ihren Einsatz oder ihre Antwort oder das laute "Amen" ja nicht verpassten. Und alle staunten über die fremdartigen Bewegungen und die Dauer des Gebets, das der Pater auf Knien verrichtete. Sie staunten, als er bei der Eucharistie plötzlich hinter dem Altar verschwand und gar nicht wieder erschien. Sie staunten atemlos über die neuartige seltsame Aussprache der bekannten Namen und der unbekannten Heiligen, die er anrief. Sie staunten über die andächtige Lesung, die unverständliche Homilie, die große Geste der Elevation, über die ausgestreckten Finger des frommen Mannes und seine penible Säuberung der Hostienschale. Staunten und saßen ganz still, obwohl der Gottesdienst doppelt so lange dauerte wie sonst. Sie rührten sich nicht und lauschten gespannt, als der Fremde erklärte, warum er bei der Eucharistie niemandem die Oblate in die Hand gibt: Es dürfe nichts verloren gehen, denn auch der allerkleinste Krümel sei der Leib des Herrn. So streng hatte das noch nie jemand gehandhabt. Aha, deswegen hatte er so lange die Patena gesäubert und abgewischt und untersucht und poliert und geprüft, ob nicht vielleicht doch eine Mikrobe…
Also traten sie in frommer Ehrfurcht zu ihm und streckten ihre Zunge aus, nachdem sie ihren Namen gesagt hatten.
Ja, brav und gehorsam machten sie mit und mucksmäuschenstill saßen sie da und beobachteten alles.
Aber kaum bot sich die Chance, in der Muttersprache zu singen oder zu reden, dann ergriffen sie diese und rasselten den Text herunter, schnell, laut und erlöst.
Und als der spanische Priester mitten in seinem heiligen Handwerk plötzlich laut das Marienlied von Fatima zu singen anfing:
"Am 13. Mai im Tale der Iria", gab es zunächst eine Schrecksekunde, dann aber fielen sie alle ein und überboten ihn in schönem Portugiesisch und mit gesteigerter Energie und tollerem Tempo.

In der folgenden Woche sprachen die meisten öfter davon, wie fremdartig das doch alles gewesen sei, und sie machten seine Bewegungen nach und erzählten den anderen Zuhörern, wie lange diese und jene Stelle in der Messe gedauert habe.

Für uns war das alles kein Problem, wir verfolgen die portugiesische Missa sowieso immer in unserem Messbuch und lesen die Perikopen mit und haben den Text vor Augen, der geschrieben verständlicher ist als der von der Gemeinde genuschelte. Und unsere Einsätze beim Respondieren kommen immer richtig, obwohl wir doch Estrangeiros sind, sogar in mehrfacher Hinsicht.

Das haben sich die Chormitglieder abgeguckt und beim letzten Mal, also beim zweiten Vertretungs-Gottesdienst, alle ihr Messbuch aufgeschlagen und den Gottesdienst auf Portugiesisch durchgepeitscht. Ehe der Fremde uns die Anweisungen und Einsätze in spanischer Sprache gab: "Lasst uns beten", "Bekennnen wir unsere Sünde", "Sprechen wir das Vaterunser", "Singen wir das Santo", hatten sie schon kräftig und triumphierend angestimmt und waren fertig.

Wirklich tapfer und energisch und rührend eifrig, vor allem meine kleine Chorschwester neben mir mit dem Messbuch und mit wachsamem Blick:

Wieder mal siegte Portugal!

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