Der pilgernde Engel

Verfasst am: 2. Juni 2007 von Barbara 1 Kommentar

Pilgernder Engel
Auf dem Pilgerweg nach Santiago kam ein Engel vorbei.
Jedenfalls hatte Arabella gesagt, es sei einer. Der Engel hatte einen hellblauen Anorak an, einen Strohhut auf dem Kopf, kurze rote Hosen, weiße Söckchen und Sandalen. Er trug einen kleinen Rucksack und einen langen dünnen Pilgerstab.
Der Engel wandert zu Fuß von Lissabon über Fatima nach Santiago de Compostela.
Wir saßen gerade um das kleine Grillfeuer und brieten uns frische Sardinen, als der Engel vorbeikam. Und ich kriegte wirklich einen Schreck, denn das Brot war alle und die Sardinen auch fast alle aufgegessen, was mich sehr an die Speisung der Fünftausend erinnerte. Und tatsächlich, merkwürdigerweise reichte dieses Wenige, ja, es wurde immer mehr. Da war noch Suppe zum Aufwärmen und eine Schüssel Erdbeeren mit Schlagsahne und viel Mousse au Chocolat. Was essen Engel eigentlich?
Tatsächlich war es genug Himmelsspeise für uns alle, auch für die großen drei Musketiere.
Und dann eilten wir schnell zur Chorprobe, es war zwar schon 22:30 und der Beginn ist um 21:30, aber das ist portugiesische Zeit, die gilt fast nie. Der Engel wollte gerne mitsingen, setzte sich in die Bank zu den Bauersfrauen und sang den Psalm für Trinitatis und das Halleluja mit. Und als die etwas müden Chorsänger den Engel singen hörten, kriegten sie neuen Mut und sangen ganz laut und frisch. Sie schmetterten das Sanctus und das Cordeiro de Deus, und dann kamen sie in Schwung und jubelten und gaben ihr Bestes und fanden kein Ende.
Der Chorleiter spielte für den Engel das bekannteste Pilgerlied, das man auf dem Camino singt, und wusste auch den Text dazu. Und Maria sang dem Engel ihr Wiegenlied aus dem Krippenspiel vor, während ihr Söhnchen vorne auf der ersten Kirchenbank eingeschlafen war und träumte.
Draußen schien der Vollmond, und alle waren ganz fröhlich und stellten dem Engel viele Fragen, woher und wohin, und wirklich ohne Gepäck, und ob man nichts befürchten müsse, wenn man so allein auf dem Weg nach Santiago pilgert. Sie sind alle schon viele – unzählige Male nach Fatima gepilgert, aber nie allein und immer mit viel Proviant. Und sie versicherten sich gegenseitig immer wieder erfreut, dass der Engel richtig wunderschön Portugiesisch sprechen kann, genauso wie sie, ganz schnell und ganz leise. Das schien für sie alle das Schönste an ihm zu sein. Immer wieder: "Sie sprechen ja richtig Portugiesisch wie wir!"

Heute  morgen wanderte der Engel weiter.
Er sagte zum Abschied: "Ich habe ein von Gott gesegnetes Dorf kennen gelernt."
Ja, das stimmt wirklich. Das ist es.

Eine Antwort

  1. B. schreibt:

    Und so schrieb der Engel in seinem Pilger-tagebuch:
    Der Tag hat noch eine freudige Überraschung für mich bereit. In Águeda folge ich der sehr gastfreundlichen Einladung und rufe Barbara Seuffert und Hagen Seuffert an. Eine halbe Stunde später werde ich abgeholt und sehr herzlich in ihrem wundervollen Haus empfangen. Auf der kleinen Straße in dem Dorf Caragossa fällt das Haus nicht auf; öffnet man aber die Tür, offenbart sich einem ein kleines Paradies. Obwohl es schon spät ist, werde ich mit köstlichen Sardinen, leckerem Caldo Verde (bis dahin hatte ich nicht gewusst, dass man im Norden die Suppe nach der Hauptspeise serviert), Erdbeeren mit Sahne und einer einmaligen, selbst gemachten Schokoladen-Mousse verwöhnt. Der Tag endet mit einem rührenden Erlebnis in der Dorfkirche. Dort übten einige Dorfbewohner, u.a. auch das Ehepaar Seuffert und ein Organist, die Lieder für die kommende Sonntagsmesse. In diesem Chor war so viel Herz und Seele!

    02.06.07 Águeda > Albergaria-a-Velha
    Nach einem leckeren Frühstück mit vielen selbst gemachten Konfitüren, brachte mich Herr Seuffert und seine sehr netten drei Großneffen, die gerade aus Deutschland auf Besuch waren, wieder nach Águeda zurück.

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