Kein Portugalbesuch

Verfasst am: 11. Februar 2007 von Barbara 10 Kommentare

Kein Portugalbesuch

In einem sehr schön bebilderten Reiseführer über Portugal werden die wichtigsten Sehenswürdigkeiten genannt. Dies und das müsse unbedingt besichtigt werden. Also, das Fenster von Tomar, die Kathedralen von Batalha und Alcobaca, die "Eiffel-Brücke" in Porto, der Elevador Santa Justa in Lissabon und so weiter und so weiter… Und auch ein Besuch der Nata-Bäckerei in Belem sollte im Programm nicht fehlen. Da steht es:

"Ein Besuch dieses Hauses sollte bei keinem Lissabonbesuch vergessen werden."

Hä?
Versteh ich nicht, sagt der eine. Das ist doch falsch, sagt er.
Nee, das stimmt, sagt der andere.
Es hört sich an, als wenn es stimmt, aber es ist falsch. Total falsch.
Nee, ist doch richtig.

Also, es müsste heißen: Das sollte bei "einem" Besuch "nicht" vergessen werden.
Nee, wieso denn?
Die Verneinung muss sich auf das "vergessen" beziehen, nicht auf den Besuch.
Versteh ich nicht.
Na, hör mal genau hin: Wenn der Reiseführer sagt, man soll es bei "keinem" Besuch vergessen, dann darf man es bei "einem" Besuch logischerweise nicht vergessen.
???
Also, wenn du "keinen" Besuch in Portugal und Lissabon machst, dann sollst du es vergessen.
Na, dann habe ich es doch schon vergessen. Und wenn ich einen Besuch dort mache?
Weiß ich nicht. Hier steht ja nur, dass man es es bei "keinem" Besuch ruhig vergessen sollte.

???

Wer erklärt uns das jetzt mal? fragen Wladimir und Estragon.

10 Antworten

  1. volkmar schreibt:

    Wenn man den Besuch gar nicht erst gemacht hat ("bei keinem Lissabon-Besuch"), wie kann man ihn dann vergessen? Vergessen kann ich doch nur etwas, was ich vorher im Bewusstsein hatte, also gemacht habe.

    Wir brauchen eine Grammatik gegen das Vergessen.
    Vergiss es!

  2. volkmar schreibt:

    Der Satz ist ein richtiger Nonsens-Satz. Je länger ich darüber nachdenke, umso unlogischer zeigt er sich.

    Wieso sollte ich den nicht gemachten Besuch vergessen? Wer will mir das befehlen? Aber vielleicht ist es kein Befehl. Sollte: Heißt das, eigentlich soll ich es, aber eigentlich soll ich es auch nicht? Ich will es aber! Aber ich weiß gar nicht was.
    (Ich fühle mich an meine Franzosen erinnert. Die sind auch erst mal "dagegen".)

    Und aus welchem Grund soll(te) ich, der ich gar nicht nach Lissabon fahre, ausgerechnet diese Bäckerei vergessen?

    Wahrscheinlich verbirgt sich dahinter eine typisch portugiesische Kriminalgeschichte. Die Leiche wurde gemahlen, wie Max und Moritz, zu Brot verarbeitet, den Hühnern vorgeworfen. Ein ganz faules Ei, was die dann legen.

  3. arabella schreibt:

    frag doch mal bastian sick, was der dazu zu sagen hat. oder dr. peter koj in der portugal-post?!?

  4. Harry schreibt:

    Vorschlag: "sollte man bei einem Lissabonbesuch auf keinen Fall vergessen".

  5. Volkmar schreibt:

    Harry, unbekannerweise:
    Wieso soll einer den Besuch, oder die Bäckerei, (auf keinen Fall) "vergessen", wenn er ihn vorher noch nicht gemacht (oder sie vorher noch nicht aufgesucht) hat?  
    Er kann einen Besuch nicht machen, er kann auch vergessen, dass er ihn machen wollte, er kann seinen Vorsatz vergessen. Aber er kann den Besuch doch erst dann vergessen, wenn er ihn gemacht hat. Er kann sich beim Vergessen nicht mehr daran erinnern, wie es in der Bäckerei war, als er sie besucht hat. Es ist ihm entfallen. Dann muss es aber vorher dagewesen sein.

    Der Originalsatz ist so bescheuert, dass man ihn auch beim besten Willen nicht korrigieren kann, ohne ihn zu verschlimmbessern.

    Mein Vorschlag wäre eine "Ganz-Satz-Transplantation": "Bei einem (etwaigen) Lissabon-Aufenthalt sollte man (auch) die Bäckerei XY unbedingt besuchen."

    Das wäre klar. Aber mit solch einem klaren Satz hätten wir keine Möglichkeit mehr, scharfsinnige Betrachtungen anzustellen und müssten kleine Brötchen backen. Deswegen ziehe ich den Nonsens-Satz vor.

  6. Almuth Heuner schreibt:

    Schwestern,

    heute ist der Internationale Tag der Muttersprache.

    Hier ein Link:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Internationaler_Tag_der_Muttersprache

    Auch wenn Deutsch im Moment nicht direkt vom Aussterben bedroht ist,
    könnten wir so für uns das zum Anlaß nehmen, die eigenen Sprech- und
    Schreibgewohnheiten zu betrachten und weiterzuentwickeln. Lesen
    beispielsweise, besonders von Gedichten, trägt zur Wortschatzerweiterung
    bei. Auch ist eine interessante Erfahrung, sich bei jedem
    fremdsprachigen Wort zu überlegen, ob es nicht dafür auch ein gängiges
    deutsches gibt. Und was die Wörter, die wir tagtäglich und oft
    gedankenlos verwenden, eigentlich bedeuten – manchmal ganz was anderes,
    als wir gedacht haben …

    Gute Unterhaltung!
    Almuth

    **********
    http://www.heuner.de

  7. B. schreibt:

    In unserem Fossil von Portugiesisch-Lexikon Dicionário Académico von Porto Editora findet man wunderschöne deutsche Wörter, die es gar nicht gibt, die aber eine Bereicherung der Muttersprache sind.
    die Verliebenheit (paixao amorosa)
    die Verlachung (das Verb ist verlachen)
    die Verlähmung (paralisia)
    nachachten (conformar-se) ???
    Oberfeldweber (mit r!!)
    Ohrfinger – was ist das???

    Eine Fundgrube!!!

  8. Volkmar schreibt:

    Lieber Bruder Almuth, und alle weiteren Geschwister, eine kleine Anmerkung:

    Unsere drei Kinder wuchsen zweisprachig auf. Deutsch ist die Vatersprache, wie so wonnesam, so traut, Französisch die Muttersprache. Bei einem Sohn wachsen die drei Kinder dreisprachig auf. Die Vatersprache Deutsch bleibt Vatersprache, die Muttersprache Französisch, wird für die Kinder zur Vatersprache. Dies nur zum inklusiven Gebrauch unserer gemeinsamen Kultur.

    Noch ein Nachtrag zum "Vergessen": "Das Vergessen ist eine wichtige Funktion des Gedächtnisses. Die Menge der über die Sinnesorgane aufgenommenen Informationen ist gewaltig. Vergessen führt dazu, dass nur ein kleiner Teil dieser Information – nämlich der relevante – tatsächlich gemerkt wird."
    http://de.wikipedia.org/wiki/Vergessen

    Vergessen ist also das Löschen vorher "aufgenommener Informationen".

    Theologisch gesprochen, unter uns Pastorentöchtern und -söhnen (immer schön inklusiv bleiben, wegen der consolatio fratrum sororumque): Wenn Gott "vergisst", wenn er nicht mehr gedenkt, dann "tilgt" er aus seinem Gedächtnis den Menschen belastende Informationen. Wenn er nicht vergisst, wenn er gedenkt, richtet er ein "Memorial" auf. (Bei Blaise Pascal ist das ein beschriebenes Papier, sozusagen unauslöschlich.)

  9. Zwiebelfisch schreibt:

    Liebe Frau Seuffert,

    vielen Dank für Ihre Anfrage!

    Der Satz im Reiseführers ist folgendermaßen zu interpretieren: bei keinem
    Lissabonbesuchmeint hier soviel wie nie.
    Bei keinem (der zahlreichen) Lissabonbesuche sollte der Besuch dieses
    Hauses vergessen werden.

    So ist hier lediglich eine Ergänzung, wie der zahlreichen weggelassen
    worden, was den Satz zugegenermaßen nicht sehr elegant
    erscheinen lässt.

    Ich hoffe, ich konnte Ihnen etwas weiterhelfen!

    Mit vielen Grüßen aus Hamburg

    Anna-Maria Brinkop
    für den Zwiebelfisch

  10. Volkmar schreibt:

    Diese sprachpäpstliche Auskunft (Sicka locuta, causa finita) finde ich nun auch nicht gerade berauschend. Und nicht nur deswegen, weil man jetzt nicht mehr blödeln darf.

    "Keiner der zahlreichen Lissabonbesuche" bedeutet für mich nur eine Anhebung der Quantität. Jetzt gibt es sogar "zahlreiche Lissabonbesuche", die gar nicht stattfinden ("keiner"). Vorher nur einen. Das ist jetzt nicht nur "nicht sehr elegant", sondern wirklich blöd. Ist denn der Reiseführer für Leute geschrieben, die oft (zahlreich) Lissabon besuchen? Die brauchen doch keinen Reiseführer.

    Oder gibt es "zahlreiche" Touristen, die jeweils nur einen ("keinen") Besuch machen?

    Es wird nicht besser.
    (Wie ein polnischer Freund mir mal sagte: "Will man machen besser, wird schlechter!")

    Nee nee Leute, schreibt lieber vorher verständliches Deutsch, dann müsst Ihr hinterher keine Verrenkungen machen!

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