Noite de Natal 2006

Verfasst am: 25. Dezember 2006 von Barbara 1 Kommentar

Das Krippenspiel lief noch niemals so perfekt wie in diesem Jahr. Wir hatten einen fröhlichen und engagierten Festausschuss und die besten Kräfte der Gemeinde als Mitwirkende im Ensemble. Und alle taten alles, um zum Gelingen beizutragen. Nach der 1. Sitzung brauchten wir nur 3 Proben, und alles klappte wie am Schnürchen. O welche Freude !  Sie sangen wie die Nachtigallen und übten extra in der Sakristei, und einmal ließ sich sogar jemand herab, den Text zu redigieren und ihn noch portugiesischer zu formulieren. Spätestens da hätten wir stutzig werden müssen. Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu, dass alle so motiviert und eifrig bei der Sache sind und sich durch nichts erschüttern lassen? Sogar die Generalprobe verlief bestens und ohne Katastrophen?
Zum Beispiel ging das Gerücht um, es gebe heuer kein Krippenspiel. "Wer hat denn das behauptet?" Als wir den Urheber dieser Falschmeldung ermittelt hatten, belehrten wir nicht nur ihn eines Besseren, sondern stellten überall Plakate auf. Unter jedem Ortsschild und an allen vielbesuchten Lokalitäten. Auch im Kirchenchor der Igreja Matriz wurden Einladungen verteilt – mit Erfolg: Sie kamen zuhauf, sogar dieses merkwürdige Kind, das bei Kirchenchorauftritten so kletteräffchengleich überall herumturnt und die Leute umschmeichelt wie eine Katze. Sie turnte im Stall herum, am Hirtenfeuer und in der Zuschauermenge – ein merkwürdiges Geschöpf wie aus dem finsteren Mittelalter, wo man noch an verzauberte unheilvolle Wesen glaubte. Mir fällt jedes Mal so etwas ein wie Alchemie, Aberglauben, Homunculus, Alraune, ungeweihte Nächte in der Winterzeit oder hinterdörflerische Weihenacht … Ja, eigentlich hätte uns das stutzig machen müssen. Aber als ich dieses Kind gesichtet hatte, da war das Unglück ja schon geschehen.

Bis dahin aber lief alles wunderbar. Der Esel war aus Rio Tinto eingeflogen worden, die ganze Familie, die zu diesem gehört, war auf den Beinen, hatte das Tier mit dem Viehtransporter des Metzgers (nein nein, Friede auf Erden!!!) gebracht, in den Stall von Belem gestellt und ihm auch für die Nacht eine Herberge gesucht. Da stand er nun, sehr groß und männlich, ein schwarzer Esel mit eindrucksvollen schwarzen Eselsohren. "Ich bin der Großvater, mir gehört der Esel", stellte sich stolz ein alter Mann vor und präsentierte seine mehrere Generationen starke Familie bis zur Urenkelin.

Die braune Kuh hätte gerne ein wenig geschlafen und senkte öfter ihren Kopf zu Boden, aber die vielen Menschen, das Licht und die Gesänge ließen sie immer wieder hochfahren. Dann schaute sie mit ihren großen feuchten Augen (Homer spricht von der "kuhäugigen Schönheit") in die Runde.
Zwei Enten von Ti Rosa saßen noch dabei und zwei muntere Zicklein.

Das Baby schlief.

Noch niemals vorher hatte Nene alles so schön und so perfekt vorbereitet, es funktionierte wirklich alles. Jeder Stern blinkte, jedes Mikrofon war "on", jedes Elektrokabel war heil, alle Requisiten waren vorhanden, Bänke und Strohballen am Platze, das Feuer knisterte und sprühte.
Der Chor war vollzählig. Der Chorleiter hatte nur 10 Minuten Verspätung, was er durch das Geklimper von "Jingle Bells" wieder zu überspielen versuchte (sonst spielt er in diesem Fall "Rosaroter Panther"). Alle waren feinstens kostümiert. Der Schwarze hatte sich noch schwärzer gemacht, als ich ihn schon gefärbt hatte, eine mexikanische Freira nahm die anderen goldigen Engel unter ihre Obhut, Josef war die Freundlichkeit selbst, denn er hatte seine Freundin mitgebracht, worüber denn nun bei Mutter und Verwandten eitel Freude herrschte.

Es hätte das schönste Krippenspiel der Welt werden können, denn es gibt kein anderes Dorf auf der Welt, das so harmonisch mit den vielen Tieren und den neugeborenen Babies und Alt und Jung zusammen Weihnachten feiert, so ganz allein für den Deus Menino und für sich selbst, nicht für das Fernsehen und nicht für die Zuschauer und nicht für Geld.

Ja, und doch musste irgend etwas passieren, damit – zumindest ich – begreife, dass hier auf Erden nichts wahrhaft vollkommen ist.
Diese Unvollkommenheit war personifiziert in dem Diener Gottes, den uns der liebe alte Padre als seine Vertretung schickte und der schon bei der Einladung und beim Überreichen der Agende und sämtlicher Texte drei tage vorher uns erschreckte, als er monierte: "Das ist ja so spät in der Nacht!" Nun war er zwar gekommen, hatte aber alle Texte irgendwo liegen gelassen. Wahrscheinlich hatte er aber vorher auch keinen Blick darauf geworfen, denn er hatte keine Ahnung von dem, was in der Heiligen Nacht geschehen ist und geschehen sollte. Es gibt hier ja keine "Missa do Galo" mehr, man singt "Stille Nacht" am frühen Morgen bei Sonnenschein (der Gottesdienst heißt "Aurora") und "Heute Nacht stehen wir hier an der Krippe" zum Mittagessen im Altersheim. Der ältere Priester stand also da in seinem Wintermantel (Hatte ihm denn keiner gesagt, dass wir auch beim 8. Mal eine Stola oder einen Talar oder eine Robe erwarteten?) und starrte auf die Blätter, als sei er der Ausländer und verstehe nicht Portugiesisch, nicht wir. "Machen Sie bitte die Begrüßung", flüsterte man ihm zu. Er war nicht imstande dazu und sagte zu Hagen: "Machen Sie mal." Und so ging das weiter, er konnte kein persönliches Wort an die vielen Zuhörer richten, er konnte nicht sagen: "Heute Nacht ist Christus geboren, darüber freuen wir uns."

Ich bin da echt ins Nachdenken gekommen über die portugiesischen Kleriker, diesen armen Geistlichen hier vom Lande auf jeden Fall.
Ohne Formular machen sie nichts, können sie kein Gebet sprechen und keine Silberhochzeit, Goldene Hochzeit, Beerdigung oder Taufe halten. Und vielleicht gilt das alles ja auch nichts, weil keine Eucharistiefeier dabei stattfindet. Dabei steht die wirkliche große Zahl der Katholiken unseres Dorfes in dieser Nacht beim Stall und hört etwas über die Liebe Gottes und die Menschwerdung Gottes. Sie kommen, weil sie das Kind lieben, auch wenn sie "nicht praktizierend" sind. Sie kamen  ja auch trotz des Versagens und genuschelten Vaterunsers des Priesters zum Schluss alle und küssten das Jesuskind, nicht den kleinen schlafenden Simon, sondern die Figur aus der Kirche.

Jedenfalls hat die Unfähigkeit und Unfreundlichkeit des Priesters alle dermaßen verwirrt und verschreckt, dass sich die Sänger im Text verhedderten, dass manchen sogar die Stimme versagte, dass die Einsätze falsch kamen, dass der Chor den Faden verlor, dass sich eine lähmende Kälte ausbreitete und große Unruhe und Unzufriedenheit spürbar wurden.

Kein Schlusswort, kein Segen, kein Jubel über "Feliz Natal" mit Glockengeläut und Foguetas.

Ai Jesus!

Ai Jesus, wir brauchen dich doch wohl sehr zur Hilfe und Heilung und Rettung.  Und auf jeden Fall versuchen wir es nächstes Jahr  wieder. Dann singen wir vorher noch kräftiger als in diesem Jahr: "Oh vinde, Senhor Jesus!"

Eine Antwort

  1. volkmar schreibt:

    Dieser merkwürdige Priester gibt einem ja doch Fragen auf. Es gehört nun wirklich nicht viel dazu, bei einem dörflichen Fest ein paar nette Worte zu sagen: Keine zwei Examen, keine höhere Weihen, nur ein bisschen Herzensbildung.

    Entweder ist dieser Mann verkalkt und war deshalb wirklich überfordert mit der fremden Situation, – viel guter Wein und noch besseres Essen tragen zur Trägheit bei -, oder aber er befindet sich noch in der Gegenreformation. Ich nehme zu Gunsten der Portugiesen das Erste an.

    Bestimmte Leute sind einfach nicht reformierbar. Also nicht darüber ärgern, sondern ignorieren und sich dem Positiven zuwenden, und davon gibt es doch beim Krippenspiel mehr als genug.

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