Herr Andrzj in Portugal

Verfasst am: 15. September 2006 von Barbara Keine Kommentare

Was Herr Andrzj in Portugal sieht und bemerkt

Herr Andrzj – er könnte auch Jan, Adam, Marek, Karol, Roman, Sylwester heißen, Hauptsache, du weißt sofort, dass er aus Polen kommt – ist zum ersten Mal in Portugal und schaut sich alles an, fährt überall mit,  probiert alles aus und ist mit hellwachen Sinnen bei der Entdeckung dieses ihm so unbekannten Landes.
"Ich weiß fast gar nichts über Portugal und möchte viel fragen", entschuldigt er sich höflich und wir nicken ihm begeistert und aufmunternd zu, denn wir reden so gerne über Portugal. "Fragen Sie, fragen Sie."

"Was ist Ihnen denn als erstes aufgefallen?"
Ach, leider konnte ihm gar nichts aufgefallen, denn es war schon dunkel, als er aus Spanien anreiste und bei Vilar Formosa über die Grenze kam. Aber die Straßen sind sehr gut ausgebaut, bis auf ein kleines Stück, sehr gut, und dann der Autobahnanschluss bis fast vor die Haustür. Das erfreut so ein Ingenieursherz besonders. Und dass die Kirche hier im Dorf so schön beleuchtet sei, ein wahres Signal und Wegweiser für nächtliche Reisende. Sie ist im Rahmen der Festwochen tatsächlich mit roten, blauen und gelben Lichterketten bis hin zum neonblauen Turmspitzenkreuz beleuchtet, tja, schöne Orientierungshilfe. Sollte eigentlich den Weg zum Himmel weisen, aber für den nächtlichen Heimweg ist es auch gut zu gebrauchen.

"Ja, wie finden Sie Portugal, Herr Andrzj?"

Er sagte, dass die Sprache eine große Barriere sei, denn was er nicht deutsch oder portugiesisch ausdrücken und formulieren könne, könne er auch nicht fragen. Ja, das Rumpelstilzchen-Syndrom.

Aber nach der ersten Tasse Tee blühte er auf wie ein Portugiese nach seinem Tässchen Kaffee. Wusstest du,  dass Polen leidenschaftliche Teetrinker sind?

"Ja, hier ist doch vieles, was mir sehr exotisch vorkommt. Vieles ähnelt ja Polen, aber dann steht da eine Palme vor, die Sonne brennt, die Menschen sprechen anders, es ist sehr exotisch?"

"Was hat Sie beeindruckt?"
"In Aveiro das große neue Hotel im Wasser, so etwas habe ich noch nie gesehen, sehr schön, und das wunderschöne Bahnhofsgebäude mit den alten Azulejosbildern. Aber…"
"Aber?"
"Man hat wenig Respekt vor dem Alten, das so schön ist. Warum setzt man das neue Gebäude daneben, so protzig, so hoch. Ich will nicht kritisieren, aber das zeigt wenig Respekt."
"Und was gefiel Ihnen in Lissabon?"
"Der Aufzug Santa Justa. Ganz bestimmt. Der tolle Aufzug. Ich habe alles gesehen. Sogar das Azulejos-Museum neben der alten MadreDeus-Kirche. Wir haben die ganze Stadt zu Fuß erwandert, alle Treppen in der Alfama bis hoch zum Castelo Sao Jorge, eine wunderschöne Stadt, sehr spezifisch, eine Weltstadt, o, sie gefällt mir sehr gut." Und da wir andächtig schwiegen, fragte er, ob er sich richtig ausgedrückt habe: "Habe ich gut gesagt?"
"Jaja, mehr, sagen Sie mehr über Lisboa und Portugal!"

Und zum Schluss fragten wir noch, mutig geworden: "Und wie finden Sie die Portugiesen?"
"Die Frauen sind sehr klein und zierlich", sagte er lächelnd. "Natürlich gibt es einen Unterschied. Die Frauen hier auf dem Lande mussten wohl als Kinder schon viel arbeiten, sie sind sehr klein. Das macht die körperliche Arbeit. In der Stadt sehen sie anders aus, wachsen größer. In zwei Generationen wird es hier auf dem Dorf auch anders sein. In Lissabon habe ich viele sehr schöne, blonde, große Frauen gesehen, anders als hier im Dorf und in den Bergen."
Wir lachten verständnisvoll und nachsichtig und erinnerten uns, wie er am Cabo S. Vicente im Algarve aus den Touristenherden immer die Polnisch Sprechenden heraushörte und sie freudig begrüßte. "Und denkt euch, die eine junge Dame kommt sogar aus meiner Heimatstadt, wir werden uns in der Bank in der Hauptstraße, wo sie arbeitet, bestimmt treffen." Er freute sich so sehr über die Begegnung mit den drei hübschen Landsleuten. "Hier, am Ende der Welt. Letzte Station vor Amerika. Hier habe ich Polen getroffen!"

Und Reinhard dämpfte seine Begeisterung und sagte ganz freundlich zu ihm: "Ja, schön, und was meinst du, wie viele hübsche Polinnen du getroffen hättest, wenn du zuhause in Polen in deiner Stadt geblieben wärst."

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