Der Pfau

Verfasst am: 1. September 2006 von Barbara Keine Kommentare

Beim Erwachen lauschte ich noch den Stimmen der Besucher in meinem Traum nach, der so realistisch gewesen war. Sie hatten (im Traum) einen Zweig mit Polyantha-Rosen mitgebracht, weiße Rosen mit rotem Rand, und der fremde Begleiter der Verwandten hatte (im Traum) eine viel zu große gläserne Vase vom Schrank genommen – dass dieser unangenehme Besucher sich in meiner Küche besser zurechtfand als ich in meinem Traum, war schon seltsam – und den Rosenzweig hineingestellt. Dabei erwachte ich und lauschte, ob die Stimmen wirklich zu hören waren oder wenigstens das schrill quietschende Hündlein der Nachbarn, das gestern den ganzen Nachmittag wie irrsinnig gequiekt und gefiept hatte, bis plötzlich Ruhe eintrat. Ich hatte die Nachbarn seit dieser Minute verdächtigt, das Tier misshandelt zu haben, sie sind hier nicht nett zu Hunden.

Dann schaute ich hinaus in den Garten, ob da weiße Rosen mit rotem Rand zu sehen wären, aber da blühen nur dunkelrote Rosen und eine weiße Rose im Topf und die blaue Winde, die sich um die Brunnenkrone rankt. Eine dieser traumhaft schönen Windenranken ist aber auch bis in die oberste Spitze des alten Feigenbaums geklettert und blüht dort üppig, tiefblau mit violetter Trichtermitte zwischen den dunkelgrünen Feigenblättern. Dieser Baum sieht plötzlich ganz verwunschen aus, ein uralter Baum, der plötzlich "einen in der Krone hat", der auf einmal im hohen Alter und auf seine alten Tage hin zu leuchten beginnt, sich mit blauen Windenblüten schmückt und aufblüht, biblischer Baum im biblischen Alter,und hat solche Flausen im Kopf wie der alte Goethe mit seiner letzten (oder auch nicht) Liebschaft Ulrike von Levetzow. Dachte ich so. Und dass mir das Bild des blühenden Baumes sehr gefiel.

Und da schwebte plötzlich vor meinen Augen von rechts ein Pfau in den Garten.
Ein prächtiges junges Tier mit glänzendem Gefieder, mit grünem und blauem Hals und Kopf, grün wie die feigenblätter und leuchtend blau wie die Windenblüten, mit braun gesprenkeltem Körper, so jung und noch ohne langen schleppenden Schwanz, aber mit einem stolzen Krönchen. Landete und schaute sich um, ob es hier weiße Rosen mit rotem Rand gibt.

"Pf –aaoouu", dachte ich.

Ich übersetzte mir seinen Namen – Pavão, Pavããããooouuu.
"Das glaubt mir doch keiner, schaut doch mal her, da stolziert ein Pavão, ein Pavão, wirklich, wirklich, und jetzt trippelt er durch das offene Tor in den Garten hinaus… Und nun stolziert er zum Feld, warum lasst ihr immer das Gartentor offen, nun geht er davon, und ich habe das alles nur geträumt, blaue Winden in meinem Kopf, Ranken im Feigenbaum, rote Rosen mit weißem Rand in einer Glasvase…"

Der Pfau trippelte davon. Er verschwand im Maisfeld. Ich habe ja schon öfter erzählt, wie dort alles verschwindet. Dieses Maisfeld schluckt alles auf. Sogar meine Träume und den Pav –ãããã oooo uuu. (Sieht der geschwungene Akzent über dem a nicht wie eine Schleppe aus Pfauenfedern aus?)

Aber eines Tages wird er aus dem Maisfeld hervorkommen und ein Rad schlagen, dann werdet ihr alle Augen machen.

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