Frohe Ostern

Verfasst am: 5. April 2005 von Barbara 1 Kommentar

"Ich bin froh. Seid ihr es auch?"
Das sollen die letzten Worte des Papstes gewesen sein, der am 2.4.2005, am Samstag vor Quasimodogeniti um 20.37 Uhr starb. Schon den ganzen Freitag über war nur der Papst im TV-Programm (auch im deutschen), nur er zu sehen zu hören, die ganze Welt bangte um ihn. Die widersprüchlichsten Nachrichten kursierten: Er liegt im Koma, er ist hellwach, er spricht mit Kardinal Ratzinger, er stirbt, er stirbt noch lange nicht… Wir wurden bei jeder dieser Informationen "lebhaft" an Brigittas Sterben erinnert. Nun würde sie sich mit diesem bedeutenden alten Mann an der Himmelspforte treffen, wo auch Harald Juhnke, der charmante Entertainer, schon angekommen sein mochte, und vielleicht sogar Fürst Rainier von Monaca, – welch illustre Gesellschaft für unsere Schwester.

Das portugiesische Fernsehen sendete also den ganzen Tag Bilder aus dem Leben des Papstes Johannes Paul II., vom Papst in Portugal, vom Papst in  Fatima. Gedämpft und verhalten, aber immer wieder unterbrochen von fröhlicher Werbung mit jungen strahlenden Menschen und positiven Aus- und Ansichten und optimalen Produkten für ein herrliches Leben.

Wenn er tatsächlich gesagt haben soll "Ich bin froh. Seid ihr es auch?", dann konnte man aus Portugal gewiss freudig rufen: "Halleluja, ja, wir sind es!" Ich hatte wirklich nicht erwartet, dass die Stimmung bei der Chorprobe am Freitag um 22 Uhr so gut sein würde, wo wir doch ein streng katholisches Land in Sorge um den Papst sind. Sie kamen aber alle beschwingt herbei und probten die Osterlieder für Pascoela, denn wir feiern hier im Dorf das Osterfest erst eine Woche später, weil der Padre mit dem Ostersegen nicht in der ganzen Parochie herumkommt. Der Chorleiter und sein Söhnchen hatten die Gitarre mitgebracht, auch Rogerio brachte seine viola an, und man begann in fröhlich-lauter CVJM-Manier in die Saiten zu greifen. Alle Auferstehungslieder, das Santos und das Vaterunser wurden mit Gitarrenbegleitung geübt. Für jedes Lied schrieb der Vater seinem Sohn schnell die entsprechenden Griffe auf und hämmerte ihm den Rhythmus vor. Da konnte nun wirklich keine Traurigkeit aufkommen, denn die Chorsänger mussten alles geben, um die Gitarren und das elektrische Harmonium zu übertönen. Das geht ja ganz gut mit dem Jubelruf und Sieggeschrei: "Der Herr ist auferstanden!"

Aber am Samstag nach der Todesnachricht war ich mir nicht mehr so sicher, ob die österliche Fröhlichkeit anhalten würde. Außerdem war unser Nachbar seit Monaten krank, er hatte einen Autounfall gehabt und konnte nicht gehen, auch die Schulter war verletzt. Niemand hatte vom traditionellen Festschmaus gesprochen oder davon, dass sein Haus sich für den Ostersegen öffnen würde.

Etwas bedrückt gingen wir morgens zum Gottesdienst. Es hatte in der Nacht viel geregnet. Noch war alles grau und trübe.

Und dann, welche Überraschung: Der Nachbar stand mit seiner Krücke unter dem Hoftor und wartete auf uns! "Kommt nach der Messe vorbei, wir müssen den Verlauf des Osterfestes besprechen", sagte er. "Es wird alles sein wie immer, Mittagessen, viele Gäste, Spanferkel…"
Wenn das nicht Auferstehungsfreude ist!

Auf den Bänken der Chorsänger hatten sich 3 Gitarrespieler ausgebreitet, die aufgeregt auf ihren Einsatz warteten. Aber wir Sänger würden uns nicht unterkriegen lassen! Wir begannen zu singen, dass die gelben und roten Gerbera in den prächtigen Gestecken zitterten: "Singet dem Herrn ein neues Lied." Die kleine mexikanische Schwester sprach am Anfang ein kurzes Gebet für den Heiligen Vater, hielt dann die knappe Andacht über den ungläubigen Thomas, was mit Gitarren und Liedern umrahmt wurde, teilte das Brot aus und sprach noch einmal ein Vaterunser und ein Avemaria für den Papst, wonach die guitarristas wieder kräftig in die Saiten schlugen und wir sie dennoch überboten. "Wir sind froh, ihr auch?"

Um 15 Uhr waren die ersten Böllerschüsse zu hören, da begann der Besuch der Kirchenvorsteher mit dem Kreuz in den Häusern. "Beijar o Senhor" heißt das, den Herrn küssen oder begrüßen. Sie ziehen von Haus zu Haus und treten dort ein, wo ein Blumenteppich vor der Schwelle liegt und die Familie mit Angehörigen und Freunden den Segen erwartet.

Den ganzen Nachmittag schien die Sonne. Die Leute standen auf der Straße, vor den Häusern, warteten und lachten und schauten nach den rotgewandeten Würdenträgern und der kleinen Freira in weißer Tracht aus. "Es dauert noch. Sie sind erst da unten bei  António!" Die Schwester, der Kreuzträger Jorge, der Weihwasserträger Dorindito und ein junger Mann zum Geldeinsammeln. Sie traten in die Feststube, die Schwester sagte: "Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!" und alle  antworteten: "Halleluja, halleluja, halleluja!" Dann wurde jedem der Kruzifixus zum Kuss hingehalten, während man sang "Unidos no amor…, Gloria, Gloria, Halleluja!" Noch ein gemeinsames Vaterunser und ein Segen, dann waren sie wieder fort. Und nun begann das Essen!
Alle diese Köstlichkeiten.
Herrlich.
Ich werde das diesmal nicht aufzählen, damit dem Heiligen Antonius, unserem Dorfpatron, der so grün im Gesicht ist, nicht noch schlechter wird.

Alle Türen standen offen, man besuchte sich gegenseitig, schwatzte, lachte. Es ist eigentlich ein Straßenfest oder Nachbarschaftsfest, bei dem sich alle in den Armen liegen und versöhnen und Schaumwein trinken (den sie hier Schampanje nennen). Ganz im Sinne des Papstes: "Ich bin froh, seid ihr es auch?" Ja, wir waren froh. Allerdings, bis wir endlich zum Essen kamen, das heißt bis unserem Hause Heil widerfahren war, dauerte es noch Stunden. Da stand der Mond schon am Himmel.

Eine Antwort

  1. Volkmar schreibt:

    "Selig gelebt und lustig gestorben!"
    Hier in Frankreich ist in den Medien eine regelrechte Papsteuphorie ausgebrochen, völlig irrational. Man gönnt sich ja sonst nichts! Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sandte zur 20-Uhr-Nachrichtenzeit am Abend vor dem frohen Ableben über eine Stunde lang Papst-Nachrichten. Dann machte ich den Kasten aus. Offizielle Trauerbeflaggung. Und dabei herrscht in Frankreich das Prinzip der "laicité", die ich immer weniger verstehe. Sie verbietet das Zur-Schau-Stellen deutlicher religiöser Zeichen in der Öffentlichkeit. Also: Man darf, wie viele Frauen es machen,  sein Hugenottenkreuz nicht aufdringlich tragen, steckt es in die Bluse, wo es verschämt in der Busenspalte verschwindet. Die Muslimin fliegt von der Schule, wenn sie ihr Kopftuch trägt.
    Das angeblich säkulare Frankreich entdeckt seine Katholizität. Der Staat wird super-klerikal.
    Wir waren während der besagten Sterbezeit beim katholischen Pfarrfamilienfest. Waren die ersten Protestanten in der Festgeschichte. Das wurde mit echter Fröhlichkeit bemerkt. 260 schmausende Leute. Man hatte das Fest nicht ausfallen lassen, schließlich hatte man alles vorbereitet, und wir waren alle froh. Denn froh zu sein bedarf es wenig, das hatte man auch so, ohne Rom. Dann sang man, als die Nachricht kam, die keinen mehr erschütterte, ein Ave Maria und noch ein Magnifikat, richtig schöne bodenständige Volksfrömmigkeit, und dann aß man weiter. Die Katholiken hier empfinde ich als "normal", einige entschuldigten sich fast oder richtig, weil es doch heute so "papiste" und leider "très catholique" zugegangen sei, wo sie doch nur wie üblich froh sein wollten. Und der angeblich laizistische Staat überschlägt sich mit dem öffentlichen Zur-Schau-Stellen religiöser Symbole. Ich krieg\’s nicht zusammen.
    Wenn ich da an das Sterben Jesu denke, nach dem Bericht des Markus-Evangeliums! Welch ein Unterschied!

    Aber eins interessiert mich wirklich. Was ist die wirkliche Ursache für diese Massenbewegung, die der Papst ausgelöst hat, vorher, aber besonders jetzt? Ich habe  viel gelesen und gehört, es befriedigt mich alles nicht. Ich kann\’s nicht nachempfinden. Tut mir leid.

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