Das Interview

Verfasst am: 30. Januar 2004 von Barbara Keine Kommentare

In Turm der neu erbauten Kirche von Santo António sitzt der Lokalsender "Radio Voz de Vagos". Den informieren wir natürlich auch, wenn wir eine Ausstellung oder eine Buchpräsentation haben. Also gab Hagen dort auch Einladungen für Rudolfos nächste Ausstellung am 6. und am 8. Februar 2004 ab. Bei dieser Gelegenheit sprach ihn die Chefredakteurin an und bestellte ihn bzw. die Autorin seines LUAZUL-Verlags zu einem Interview, da sie diese schon von irgendwelchen öffentlichen Veranstaltungen her kannte. Ein Interview am Freitagmorgen um 8.15 Uhr, na, ist das nicht ein bedeutender Meilenstein auf dem Erfolgsweg?

Hoffentlich wache ich früh genug auf und warum geben die mir vorher nicht mal einen Zettel mit ein paar Fragen, für die ich mir dann eine Antwort zurechtlegen kann. Es wäre doch wirklich professioneller, zumal so früh und auf nüchternen Magen die portugiesische Sprache und Denkweise noch schwieriger als sonst erscheint. Mann, hab ich Probleme!

Na, wir haben es geschafft, kletterten die steilen Treppen ins Studio hinauf und wurden von dem jungen Sprecher empfangen, der mit einer Stimme wie ein Maschinengewehr sein "Guten Morgen, Portugal" ins RR – Radio Renascença – böllerte. Er sprach sehr schnell und forsch mit dieser typischen Kaufhausstimme, die einen anfeuern möchte, mehr zu kaufen, positiv und dynamisch die Sache anzugehen und zu kaufen, kaufen, kaufen… "Das Leben ist schön!"

Dreimal bot er uns Kaffee und natürlich einen Platz an, stellte auch ein paar höfliche Fragen, sprach sogar den namen "SOIFÄRR" richtig aus, fast richtig, und fragte zwischen den Ankündigungen zu dieser tollen bevorstehenden Entrevista und den Morgennachrichten, wie lange wir hier schon leben, das Übliche eben, woher ich komme, wo wir in Deutschland leben. Meine Erklärung, dass ich in Stettin/Pommern  geboren bin, was aber heute Polen ist, fand er "fantastico" und hätte am liebsten die deutsche Geschichte vor und nach dem 2. Weltkieg aufgerollt, was wir bei seinem Sprechtempo auch bestimmt in 5 Minuten bewältigt hätten. Bei seinem, aber nicht bei meinem. Er hatte einen unglaublich langen Hals und einen sehr kleinen Kopf, der dazu noch kahl geschoren war. Ich musste immerzu an einen dieser portugiesischen Hähne auf den Bauernhöfen hier denken, die unwahrscheinlich stark sind und sehr laut krähen.

Die Chefredakteurin schaute auch kurz herein und sagte: "Sie sind die erste Frau, die wir hier interviewen, wir haben sonst nur Männer als Gäste!"

Also, das war doch eine Bemerkung von ungeheurer Tragweite. Ich finde das sensationell und bahnbrechend.

Leider kann man aber trotzdem noch nicht sagen, dass die Frauen Portugals nun auch auf dem Lande an die Macht drängen, denn ich bin ja Exotin, und damit ist für portugiesische Frauen noch lange kein Duchbruch geschafft. Aber immerhin…

Gerne hätte ich witzig und liebenswürdig meine 15 Minuten ohne Pausen und Stocken gefüllt, aber die flotten Reden stehen mir einfach noch nicht so zu Gebote. Meine Art zu denken scheint auch anders zu sein als die des portugiesischen jungen Gockelhahns=Galo – Portugalo. Nämlich eines meiner Statements verstand er überhaupt nicht: "Auf die Frage, warum ich Portugal liebe, gibt es für mich keine einfache Antwort. Ich habe schon so viel geschrieben, aber ich kann diese Frage einfach nicht erschöpfend beantworten."
"Wie, Sie können nicht sagen, warum Sie Portugal lieben?" fragte er entgeistert.
"Nein, nein, ich schreibe und schreibe immerzu darüber, ich kann es immer noch nicht erschöpfend genug und zufriedenstellend beantworten. Es ist schließlich das Thema meiner Geschichten und Bücher, verstehen Sie. Wenn es mit einem einzigen Satz zu beantworten wäre, brauchte ich ja keine Bücher zu schreiben…" Aber aus Mangel an portugiesischen Konjunktiven und übersetzbaren schönen deutschen Kleinstwörtern wie "immer noch nicht", was etwas ganz anderes ist als "noch immer nicht", blieb ihm diese poetische Aussage verschlüsselt und unverständlich, und er wechselte das Thema.
Naja, wenn ihnen dieses erstmals weibliche und deutsch-portugiesische Interview nicht gefällt, sollen sie es doch streichen. Aber dann hat der Portu-Galo gelogen, als er sagte: "Sie sprechen sehr gut portugiesisch!"

Und schwupp, waren wir wieder draußen, und ich stellte erst zuhause fest, dass ich meine Tasche mit dem Handy im Aufnahmestudio vergessen habe. Wie soll ich jetzt die 1000 Rückrufe und Dankschreiben der Fans beantworten?

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