2. Fortsetzung: "Berührungen"

Verfasst am: 26. Juli 2003 von Barbara Keine Kommentare

Am Sonntagmorgen fand zunächst in unserer Dorfkirche die Messe statt, zu der auch alle Jugendlichen, die übrigens ebenfalls an den 4 Abenden bei den Chorproben mitgeübt hatten, herbeiströmten. Der Padre zelebrierte die Messe, fand freundliche Worte für jeden in der Gemeinde, hörte auch unserem Jubelgesang freundlich zu und ließ sich, kaum dass er den Segen gesprochen hatte, sogar das übliche "Parabens"-Lied nach der Melodie "Happy birthday to you" gefallen, wobei ihm dann einer die Altarkerze hinhielt, die er unter Applaus ("uma salva de palmas") auspusten musste. Das macht man hier bei jedem Geburtstagskind so. Und ich verrate sogar, dass wir vorher lange darüber diskutiert haben, wie man denn nun die Anrede gestaltet in der Liedzeile "Zum Geburtstag viel Glück, lieber Padre" – oder "lieber Herr Pfarrer" – oder "lieber Padre António" –   Ja, was singt man denn in diesem Falle?

Kaum aber war dieses Geburtstagsständchen erklungen, da marschierte die Jugendgruppe des Dorfes geschlossen zum Altar nach vorne, Toni hielt eine kleine Ansprache, überreichte ein Geschenk, gratulierte und küsste den Pfarrer, trat zur Seite und ließ die anderen Jugendlichen gratulieren. Und alle umarmten und küssten den Jubilar, der in seinem weißen Talar herzlich und freundlich die vielfältige Begrüßung erwiderte. Dann wickelte er das Geschenk aus und zeigte mit sichtlicher Freude das hübsche Kästchen mit eingravierter Schrift, das die Jugend ihm geschenkt hatte.

Inzwischen hatten sich die Chorleute aus den ersten Reihen herangedrängt und einen Korb mit 50 roten Rosen überreicht. Dorinda war die erste, die dem Padre mit den üblichen zwei Begrüßungsküsschen gratulierte, dann standen auch schon die anderen Frauen hinter ihr und küssten ihn und sprachen Glückwünsche aus. Die Männer umarmten den Pfarrer bewegt und klopften ihm auf die Schultern, weil allen ob der Rührung die Stimme versagte.
Und nun wanderten alle Kirchenbesucher in endloser Schlange nach vorne, gratulierten und küssten den verehrten Geistlichen, der jeden Kuss und jeden Händedruck und jedes freundliche Wort erwiderte.

Man ist es hier ja gewohnt, in der Weihnachtszeit das Jesuskind, den Deus Menino,  aus der Krippe zu holen und zu küssen. Da wandert die Gemeinde auch andächtig nach vorne und verneigt sich vor der Puppe, die der Padre jedem "Verehrer" auf einem Damasttuch entgegenstreckt.

Vielleicht liegt es an diesem Brauch, dass niemand Berührungsängste hat und mit großer Selbstverständlichkeit dabei ist, den Priester persönlich, und gar einen Padre am Tag seines 50jährigen Priesterjubiläums ebenso huldvoll zu küssen (wobei die huldvolle Berührung  bei Brillenträgern manchmal etwas missrät, wenn sich die Brillengestelle wie die Geweihe von Hirschen verhaken, wie ich respektlos feststellte. Ich schreibe dies aber nur, um ein wenig die Rührung zu verbergen, die mich überkam, als ich diese große Herzlichkeit und Liebe bei den vielen Gratulanten spürte,  eine herzliche Liebe, die aber von dem alten Seelsorger ausging, der ein sehr großes Herz haben muss.)

Diese Gratulationscour in unserem Dorf war indes nur der Anfang einer weit größeren Küsserei, die dann in der mit Menschen und Blumen überfüllten Hauptkirche stattfand, wo der Jubilar mit dem Generalvikar die Große Messe zelebrierte. Auch hier gingen wie bei der Kommunion alle nach vorne, küssten und umarmten ihren Pfarrer, klopften ihm anerkennend und wortlos auf die Schulter, schüttelten seine Hand und küssten ihn rechts und links auf die Wange. Und der Padre erwiderte unermüdlich, herzlich und freundlich jede dieser Berührungen.

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