Polnische Schriftstellerin

Verfasst am: 21. Mai 2003 von Barbara 1 Kommentar

Wie oft habe ich das nun schon dementiert und wieder und wieder erklärt! Aber kaum erscheint ein Bericht über mein literarisches Schaffen, steht da zu lesen, ich sei eine Escritora Polaca, eine polnische Schriftstellerin.

Dona Lurdes im Dorfladen, wo das einzige Exemplar dieser Wochenzeitung für das ganze Dorf ausliegt, fragt misstrauisch: "Aber du bist doch deutsch, nicht wahr, Dona Barbara?"
"Ja, ich bin deutsch."
"Aber da steht doch: Polnische Schriftstellerin."
"Es ist falsch. Die Zeitung berichtet etwas Falsches. Ich bin deutsch." Ist doch gut, wenn die Leute öfter hören, dass nicht alles stimmt, was in den Zeitungen steht. Gerade in so einem kleinen portugiesischen Dorf muss man Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Medien leisten: Ihr Lieben, ihr dürft nicht alles glauben, was in der Zeitung steht und was das Fernsehen berichtet.

"Du bist doch deutsch?" lässt sich auch mein Nachbar bestätigen.
"Ja, ganz gewiss", versichere ich ihm.

Wie oft werde ich das wohl noch erklären müssen, dass meine Geburtsstadt Stettin deutsch war, aber nach dem 2. Weltkrieg polnisch wurde.  Da war ich allerdings schon im Westen Deutschlands. Nicht sehr weit und noch lange nicht im "Goldenen Westen", aber auch nicht mehr in Polen. Und langatmig erkläre ich die traurige Geschichte Deutschlands, des großdeutschen Reichs, und meine eigene Odyssee von Pommern in die Ostzone und nach Ostberlin und von dort nach Westberlin und in die Bundesrepublik und nach der Wende zurück in die Ex-DDR. Ja, Deutschland, Deutschland über alles… "O mein Gott", sagen meine Zuhörer verwirrt, "da kannst du nun aber froh sein, dass du hier in Portugal gelandet bist." Und ich bin auch ganz froh und fühle mich geborgen wie Schneewittchen hinter den Bergen bei den sieben Zwergen, obwohl meine Identität immer wieder in Frage gestellt ist.

Und was die wiederholte Falschmeldung in der Zeitung betrifft, da habe ich den Verdacht, dass der Rezensent oder Zeitungsschreiber sich jedesmal, wenn mein Name auftaucht, den hier übrigens keiner aussprechen kann, die früheren Berichte und Unterlagen aus dem Archiv holt und, sich selbst zitierend, schreibt: Die polnische Autorin hat ein neues Buch geschrieben.

Was ist eigentlich besser, was gilt hier mehr: eine Polin oder eine Deutsche?
Als ich Fatima diese Frage stellte, hat sie sie überhört. Und als ich sie noch einmal stellte, tat sie so, als sei das völlig unwichtig. Aber man sollte das einmal ausdiskutieren.

Vielleicht sind Polen und Portugiesen sich tatsächlich zwillingshaft ähnlich. Wer Pole ist, ist ja von den Buchstaben her schon ein 3/10 – Portugiese, also, aufgerundet ein Drittel-Portugiese.
Außerdem habe ich gelesen, dass die polnische und die portugiesische Sprache sehr verwandt seien und es den slawischen Immigranten, von denen es hier jetzt sehr viele gibt, in auffallend kurzer Zeit gelingt, die portugiesische Sprache akzentfrei nachzuahmen, weil sie die Sprachmelodie und das Genuschel einfach irgendwie "drauf haben".

Da wird sogar das Gedicht "Lisboa" von G.C. Krischker erwähnt, der die Verständigungsprobleme mit den Bewohnern dieser Stadt so beschreibt:

           am anfang haben wir uns
           nicht gut verstanden

           deine sprache hielt ich für polnisch

Vielleicht aber schreibt der oben erwähnte Redakteur jedesmal, dass ich eine Polaca sei, weil er wie die meisten portugiesischen Männer "höflich bis zur Unehrlichkeit" ist und mir ein artiges Kompliment  machen will. Er will sicher sagen:  Diese Frau ist in Stettin geboren, in einer Stadt, die seit Beendigung des Krieges zu Polen gehört. Diese Frau ist allerdings so hübsch und jung, sie ist mit Sicherheit erst nach dem Kriege geboren, als die Stadt Stettin schon polnisch war. Also ist diese Frau polnisch.
Ja, so wird es wohl sein.
Wir gehen davon aus.

Eine Antwort

  1. Volkmar schreibt:

    Franzosen reagieren wieder anders auf das deutsch-polnische Problem von Stettin. Ich traf im Cantal oben auf einem Gipfel eine französische Lehrer-Eltern-Gruppe. Eine Frau sprach mit Akzent. Es stellte sich heraus, dass sie gebürtige Polin war, aus dem polnischen Stettin. Ich sagte, dass wir dieselbe Geburtsstadt hätten. Bei den Franzosen ein ganz kurzer Moment des Überlegens, das nationale Problem war den Leuten sehr wohl bewusst, große Einladung zum Essen, dann wurde mir zu Ehren eine weitere Flasche Wein geöffnet. EIn willkommener Anlass zu feiern. Dabei sind die Franzosen den Polen in ihren Empfindungen und ihrer Geschichte sehr viel näher als uns Deutschen.
    Aber je weiter man ab ist, wie die Portugiesen, umso mehr verschwimmen die Feinheiten. Eine Freundin in Norwegen erzählte: Eine Amerikanerin schickte ihre Tochter nach Schweden. Sie bat die Norwegerin, die oben in der Finnmark wohnte, ob die Tochter nicht immer zum Frühstück rüberkommen könnte. Entfernung Luftlinie über 1000 km. Global denken und entsprechend handeln!

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