Saudade

Verfasst am: 26. Februar 2003 von Barbara 3 Kommentare

Lieber Claudio,
du wolltest wissen, warum ich keine Mails aus meinem Dorf mehr schreibe…
"Querias tu saver" – du wolltest wissen…

Nun ja, ich bin schon 3 Wochen und 3.300 km weit fort von meinem Dorf, und ich habe schrecklich Heimweh und denke immerzu an den Frühling in Portugal und an meine Nachbarinnen, und ich denke immerzu und immerzu …,
wie eine Pflanze, die vom vielen Umtopfen krank wird.

Ich fürchte, mir fällt schon kein portugiesisches Wort mehr ein. Und als eine Bekannte mich hier am fernen Gestade der Ostsee mit beijinhos und abraco begrüßte, war ich so irritiert, dass ich gar nicht wusste, wie ich den Kopf drehen sollte und was "Bom dia" bedeutet.

Nein, in der Fremde kann ich einfach kein Lied von Portugal singen…

Ich schaue aus dem Fenster, es ist alles weiß – verharschter Schnee, Raureif am Morgen, zugefrorene Wasser von Babylon. Meine Seele ist weiß verschneit und mit Raureif überkrustet, meine Harfe hängt in den kahlen Trauerweiden.

"Wo sind Sie denn  nun eigentlich zuhause?" fragte jemand.
Tja, wo?
Also, steuerlich veranlagt sind wir hier in MeckPomm.
Eine klare Aussage.

Aber sind wir hier zuhause ?

Zum Glück können wir immer stolz erklären: Wir sind Europäer!

Doch das Lied, das wir als Europäer mit der Seele singen könnten, ist noch nicht geschrieben und komponiert, und die Musikinstrumente hängen noch in der Garderobe.

Psalm 137
An den Wassern zu Babel
saßen wir und weinten,
wenn wir an Zion gedachten.
Unsere Harfen hängten wir
an die Weiden dort im Lande.
Denn die uns gefangen hielten,
hießen uns dort singen
und in unserem Heulen fröhlich sein:
"Singet uns ein Lied von Zion!"

Wie könnten wir des Herrn Lied singen
in fremdem Lande?

Vergesse ich dich, Jerusalem,
so verdorre meine Rechte.
Meine Zunge soll
an meinem Gaumen kleben,
wenn ich deiner nicht gedenke,
wenn ich nicht lasse Jerusalem
meine höchste Freude sein.

Du wolltest wissen, querias tu saver…, warum keine "Mails aus meinem Dorf" erscheinen.

Also, das ist der eine Grund.
Der andere – weitaus ärgerlichere – ist der technische Umbau der website durch den domain-service. Da sollten wir uns mal beschweren…

3 Antworten

  1. Volkmar schreibt:

    Wo ist einer zuhause? Da, wo er zur Steuer veranlagt wird? Das wirft biblische Dimensionen auf. Maria und Joseph auf dem Weg nach Bethlehem. Der Peugeot 806 als treuer Lastesel. Aus Bethlehem  kamen jedenfalls die Vorfahren, die während der Makkabäerzeit nach Galiläa umgesiedelt wurden. Deutschland, besser Mecklenburg-Vorpommern als das steuerliche Bethlehem, Portugal das barbarische Galiläa? Das wäre dann doch zu gewagt. Aber MeckPomm als Babylon der unter den Weiden trauernden Exil-Juden?

    Ich werde in Deutschland zur Kasse gebeten, weil da mein Brotgeber sitzt, anschließend prüfen das hier die Franzosen und erheben keine weiteren Steuern, weil der Satz in Deutschland fast doppelt so hoch ist wie hier. Wo ist da die Heimat? Europa wartet auf die Einigung.

  2. Heinz Grasmück schreibt:

    saudade

  3. Volkmar Jung schreibt:

    Saudade!

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