Das blaue Bild

Verfasst am: 17. Dezember 2002 von Barbara Keine Kommentare

Lieber Claudio,

in den letzten Tagen wurde ich sehr stark an die Geschichte mit dem blauen Bild erinnert. Ja, das schöne blaue Bild von Rudolfo, das mit den Weinbergen am Rhein.
Es hing in der Ausstellung "Weingärten in Europa" in unserem ehemaligen Weinkeller. Die Hänge, die Felder, die Rebstöcke, die Reihen der Weinstöcke ergeben immer ein faszinierendes Muster, das den Architekten (und Weinkenner) Rudolfo wohl besonders bezaubert. Auf diesem blauen Bild hatte er nun den Weinanbau am Rhein in vielen blauen Farbtönen gemalt, Himmel und Schatten und Felder in allen von hellblau über kornblumenblau bis grünblau leuchtenden Nuancen. Jeder Besucher fühlte sich sofort angezogen von diesem blauen Bild.

Besonders aber "unser netter Konsul", von dem ich ja schon öfter erzählt habe, und der mit seinen wippenden Schuhen und fröhlichen Söckchen in die Weltliteratur eingegangen ist, nun ja, zumindest in meine "Portugiesische Weihnachtsgeschichte".
"Unser netter Konsul" saß ganz andächtig vor dem Bild und betrachtete es eingehend. Sein besonderes Interesse und seine liebevolle Betrachtung fielen dem Maler und den anderen Besuchern auf. Schließlich fragte er sogar nach dem Preis, denn die Bilder sind ja alle verkäuflich.

Es ergab eine wohltuende Harmonie: der deutsche Konsul und das repräsentative blaue Bild, das den deutschesten aller Flüsse und den deutschen Weinbau so unübertrefflich darstellte. Das gehörte doch zusammen. Das Bild war der angemessene Hintergrund für einen deutschen Konsul. Und besonders für diesen, "unseren netten Konsul", von dem alle begeistert und angetan sind, weil er sich  sehr für die Deutschen im Ausland einsetzt und die deutsche Kunst, Musik und Literatur in Portugal pflegt.

Das wäre doch   d a s  Geschenk für ihn, dachte ich so.
Das müsste einer ihm schenken.
Wo ist der edle Sponsor, der das blaue Bild für das deutsche Konsulat in Porto erwirbt ? Ich hörte mich um. Ich fragte mich durch.

Aber ach, ich kannte keinen Spender, wir Galeristen kennen eigentlich überhaupt keinen edlen Sponsor, der Maler brauchte selber Geld, da fehlen einfach allen und überall die Mittel und Finanzen …

Es nahte das Weihnachtsfest.
Das Deutsche Konsulat lud zu einem Weihnachtskonzert in einer großen Klosterkirche  und zum anschließenden Empfang ein. Das Orchester-Konzert und die Darbietung von Weihnachtsliedern waren großartig und stimmungsvoll, aber der Empfang danach war noch fantastischer und  üppig. Denn da hatten alle deutschen Firmen sich überboten und die herrlichsten Dinge zum Essen und Trinken gespendet. Unter leuchtenden Weihnachtsbäumen im Klosterhof und im festlich geschmückten Refektorium erging man sich, Glühwein trinkend, Gebäck knabbernd, plaudernd, gut gelaunt und weihnachtlich gestimmt. Es duftete nach gebrannten Mandeln und gerösteten Kastanien und nach Zimt und Nelken und Bratwürstchen.

Es war richtig deutscher Weihnachtsmarkt in einem portugiesischen Kloster unter mildem regnerischen Saudade-Himmel. Ich lief zwischen den Leuten umher und hielt Ausschau nach einem reichen Sponsor, der, um unser deutsches Glück vollkommen zu machen, dem Konsul das blaue Bild schenken könnte.

Aber in meinem ganzen Leben habe ich noch nie einen reichen Mann getroffen. Überall, wo ich mich aufhalte, nämlich bei Kirchens – für eine vierköpfige Mutter und Pfarrersfrau ist das ein besonders geprägtes Territorium, in dem seit der Urchristenheit Nächstenliebe und Barmherzigkeit, Armut und Bescheidenheit und andere innere Tugenden herrschen – , überall in meiner Umgebung gibt es naturgemäß und zwangsläufig keine reichen Leute. Daran hat sich seit Frau Katharina Luthers Zeit nichts geändert.

Wo finde ich den edlen Spender?

Ich stieß bei meinem Streifzug  auf die Frau Monika, die Konsulsgattin, und dachte:  -Sie kennt die Situation besser, vielleicht kann sie mir einen Tipp geben? Man kann ja mal einfach darüber reden.-
Also fragte ich mal eben unter munterem Eröffnungsgeplänkel: – Kennen Sie hier einen reichen Mann? Ich suche einen Sponsor. -

Sie ließ die Blicke schweifen, entdeckte aber niemanden.

Ich brauche aber einen dringend einen reichen Mann, – sagte ich verzweifelt und vertraute ihr mein Vorhaben an.

- Vielleicht fragen Sie einmal den Herrn dort drüben, er kennt sich gut aus -, meinte sie tröstend.

Dieser Hinweis war keine große Hilfe, denn den netten älteren Herrn kannte ich gut: Er war viele Jahre der Kassenwart der Deutschen Evangelischen Gemeinde, kam also auch aus denselben kirchlichen Kreisen. Nun, aber nur Mut, vielleicht kannte er ja einen reichen Mann?

Ich drängelte mich also heran, unterbrach im geeigneten Augenblick sein Gespräch und hatte gleich zwei Zuhörer für mein Anliegen. Beide Herren nahmen den gedanken sehr wohlwollend auf und sagten, das habe der Herr Konsul wirklich verdient, es sei der beste Konsul, den es seit Generationen in der deutschen Kolonie gegeben habe. Sie selbst sahen sich allerdings außerstande, ein so prächtiges Bild zu erwerben, und berieten eifrig, wie der schöne Plan dennoch verwirklicht werden könnte.  –  Wenn wir uns mit mehreren beteiligen, dann wäre das durchaus zu machen -, meinte der andere Herr. – Wir werden uns umsehen, überlassen Sie uns das Problem. Wir kennen da einige Geschäftsleute. –

Frohgemut wegen der guten Wendung der Dinge und voll Vertrauen in das Gelingen trank ich daraufhin einen Glühwein, knabberte die LIDL-Spezialitäten und ergatterte ein Würstchen  der Marke AUS DEUTSCHEN LANDEN FRISCH AUF DEN TISCH, und als ich nach einer halben Stunde bei den beiden Mäzenen vorbeischaute, hatten sie sich schon wundersam vermehrt und waren zu fünft der Überzeugung, dass unser netter Konsul unbedingt dieses Bild haben müsste.
Jetzt erst fällt mir auf, dass eigentlich keiner gefragt hat, was das denn überhaupt für ein Bild sei. Meine Überredungskunst und Schilderung muss wohl ausreichend gewesen sein.

Im Lauf der nächsten Tage gesellten sich zu den 5 Sponsoren immer mehr hinzu, und nur mit großer Mühe gelang es dem alten Herrn, die verheißenen Spenden und Schecks von überall her einzutreiben.  

Endlich aber konnte dann das Präsent in einem Überraschungscoup übergeben werden, wobei ich heute noch Spaß habe an der erfindungsreichen Mitarbeit von Dona Monika, die aus dieser Bildübergabe ein wunderschönes Fest mit zahlreichen Gästen, mit Sekt und einer herrlichen Kaffeetafel zu gestalten verstand.

- Und dieses blaue Bild wanderte nun mit nach Brasilien, wo der Konsul inzwischen arbeitet. Dort hängt es und leuchtet im herrlichsten Blau und erfreut  alle, die es ansehen. Habe ich nämlich gerade von der Familie des Konsuls selbst gehört und darf es dir so weitererzählen -, sagte ich zu Rudolfo am Telefon. Der freute sich über diese internationale Anerkennung.

Findest du nicht auch, dass das eine richtige Weihnachtsgeschichte ist?

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