Ausschnitte

Verfasst am: 17. September 2002 von Barbara 2 Kommentare

Lieber Claudio,
ich besuchte gestern die Stadtbibliothek und ging zur Rezeption, um eine Auskunft zu bekommen. Der Tresen oder Informationsschalter ist dort sehr hoch, und ich konnte niemanden dahinter entdecken, also reckte ich meinen Hals und schaute über die Balustrade  hinweg—

genau in einen ausladend und üppig vor meinen Augen ausgebreiteten Ausschnitt einer zierlichen Portugiesin hinein.

Ich erschrak so sehr, als sei ich in einen Brunnen gefallen, der sich da unerwartet und unvermutet vor mir öffnete.  Ich fiel kopfüber hinein und wurde unerklärlich von der Tiefe aufgeschluckt.

Narkotisch.

Totaleclipse.

Ich hatte doch gar nicht damit gerechnet, dass sich dort etwas anbietet, und was sich da anbietet ! -

ich merkte nur,  wie ich mein "Gesicht verlor", das im Ausschnitt verschwand.

Was heißt überhaupt "Ausschnitt"?

Ein törichtes Wort in diesem Fall.

Das war kein Ausschnitt, das war dreidimensionale Großaufnahme, Breitwandcolor.

2 Antworten

  1. Volkmar Jung schreibt:

    Der portugiesische Ausschnitt scheint ja tiefe Einsichten zu gewähren! Hier in Frankreich heißt er übrigens décolleté, und hat sich, wenigstens sprachlich, auf das übrige Europa ausgeweitet.

    Das Wort legt eine Art "Abheben" nahe, "décoller", bei Flugzeugen. Kann man sich bei manchen Betrachtern richtig vorstellen, dass sie sich umwölkt vorkommen: also nicht versinken, sondern sich im siebenten Himmel wähnen. Diese Etymologie stimmt aber nicht, denn décoller kommt von colle, Kleber, und das Abheben hat, "offen gestanden", nichts mit dem Panorama der portugiesischen Berg- und Talwelt zu tun.

    Décolleté kommt von cou, col, auf Deutsch Hals. Den Hals frei machen. Bei einem sehr tiefen décolleté sagt man hier auch, es reiche "jusqu’au Fils". "Bis zum Sohn". Das ist katholisch und heisst eigentlich, bis zum Bauchnabel, wenn man sich trinitarisch bekreuzigt. Früher gebrauchte man für das Enthaupten das Verb "décolleter", sozusagen "enthalsen". Womit wir wieder bei Dir und Deiner Portugiesin wären, dass man nämlich bei einem zu tiefen Versinken  in die "Fremde"  den Kopf verlieren kann.
    Herzliche Grüße

    Volkmar

  2. Aquilino Ribeiro schreibt:

    o decote: 1. Acto de cortar ou aparar ramos de árvores. 2. Abertura na parte superior de uma peça de vestuário – vestido, blusa, camisola -, por onde passa a cabeça quando se veste ou despe e que pode deixar a descoberto, além do pescoço, parte do peito, dos ombros, das costas.
    "Gostava de decotes discretos e elegantes. Um decote atrevido…"
    Agora sabes!

    Saudades, Aquilino

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