Aletria

Verfasst am: 30. Juli 2002 von Barbara 1 Kommentar

Lieber Claudio,
eine wunderbare portugiesische Nachtischköstlichkeit ist der Pudding aus Fadennudeln, der auf einer Platte vor sich hin träumt und so lieblich mit Zimt bestreut ist. Man kann ein Gitternetz streuen, eine Blume, Schriftzüge oder olympische Ringe (dazu drückt man ein Schnapsglas mit dem Rand in Zimt und setzt das dann Glas architektonisch geschult auf die glatt gestrichene Oberfläche. Diese Milchspeise heißt Aletria, und ich bereitete zur Freude aller Kenner also zwei Platten Aletria, die ich – wie das hier üblich ist -  in rautenförmige Stückchen schnitt und mit einer Tortengabel auf Tellerchen servierte.

Nach den ersten Ah!- und Hm!-Rufen sagte aber meine liebe Nachbarin, das sei noch gar nichts, sie könne das viel besser. "Ihr müsstet mal schmecken, wie  m e i n e  Aletria schmeckt! Ich habe ein wunderbares, ja, das beste rezept, das sagen alle. Dr. Agosto und Dona Agata haben es neulich erst wieder gesagt. Also, ich mache das so: …", sagte sie und beherrschte danach eine halbe Stunde lang die Konversation an meiner Festtafel. Alle lauschten höflich und vernahmen folgende Wunderdinge:

Man schneidet ein Stöckchen vom Feigenbaum und rührt damit die Milch um. Es muss frische Milch von eigenen Kühen sein. Zitronenschale darf man nur sparsam verwenden. An den fertigen Pudding gibt man kein Eigelb, weil das so fett ist und  die Cholestrolwerte  erhöht.  Das Herrliche an dieser einzigartigen Aletria ist nämlich die Beigabe von Orangensaft, frisch gepreßt.
Dieses Rezept, medizinisch und ernährungswissenschaftlich untermauert, wurde nun also entfaltet und ausgebreitet und mit dem nötigen Respekt der Zuhörer gewürdigt. Und obwohl Célia sagte, sie zieht Barbaras Aletria vor und ob ich nicht zum nächsten Festschmaus dieselbe als meinen Beitrag bringen könnte, fegte die Meisterköchin diesen Kommentar vom Tisch und sagte: "Nein, lasst mich das machen, ich habe das beste Rezept, ich mache die beste Aletria, ich koche das zum Fest. Wann ist das Fest? Gut, also, Barbara bringt mir die Fadennudeln, ich koche das dann, und ihr holt es 1 Stunde vorher ab."

So wanderten wir also mit 3 Platten Aletria, gegen die sich meine natürlich nicht sehen lassen konnte, zum Fest.

Die war nach dem traditionellen Rezept mit einem normalen Kochlöffel, ohne Feigenzweig, mit Tütenmilch und wenig Zucker (ich hatte keinen mehr im Hause und keine Lust, schnell welchen zu kaufen) bereitet worden, ohne Eigelb, in Ermanglung desselben, und überhaupt – kurzum, eine Stümperleistung.

Ich schreibe dir mal mein Rezept auf:

2 Tassen Milch
100 g Fadennudeln
100 g Zucker  (nimm bitte weniger, es ist sonst quietschsüß)
Zitronenschale
Vanillezucker
1 Löffel Butter
2 Eigelb
Zimt zum Bestreuen

Milch, Zucker, Zitrone aufkochen, in die kochende Milch die Nudeln geben und aufquellen lassen, immer umrühren, gegen Ende die Butter zugeben. Fertig. Zum Schluß kann man die geschlagenen Eigelb durch ein Sieb unterrühren, das ergibt schöne Farbe, ist aber nicht nötig. Kinder mögen die einfache (magere) Variante viel lieber. Wichtig ist das schöne Muster auf der Oberfläche des Puddings, den man auf einem Teller glatt streicht.

Eine Antwort

  1. Katharina schreibt:

    Liebe Barbara,
    stell dir vor, ich hab Claudio getroffen. Der muß ganz begeistert sein von deinen Rezepten, da er in einem Restaurante an der spanischen Nordküste ist und ißt.
    Wir tankten dort an der Tankstelle daneben und wurde auf das Restaurante Claudio aufmerksam, weil nach lange Zeit mal wieder ein Olloquigui davor stand. Mit dem reist Claudio durch die Welt, deshalb hat er auch noch nicht geantwortet. In so einem Laster gibts keinen Internetanschluß. Aber er wird sich schon melden, wenn er ansässig geworden ist. Deine Katharina

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