Lieber Claudio,
es gibt tatsächlich d e n "Portugiesen, der der beste Liebhaber der Welt" ist! Er existiert! Er lebt hier mitten unter uns, und wir haben es gar nicht bemerkt. Da sucht und sucht man, und "schweift in die Ferne, doch sieh, das Gute liegt so nah" – oder soll ich sagen: "d e r Gute" ?
Man sollte es nicht glauben…
Wir besuchten eine alte Frau hier in der Nähe, die recht gesprächig (faladeira) ist, eigentlich sogar eine echte Plaudertasche, Analphabetin, aber ziemlich helle und aufgeweckt. "Kommt doch herein", sagte sie und holte uns auf den Hof, wo sie zwischen Blumen und Katzen und schattenspendenden Bäumen ein beschauliches Leben führt. Die zwei Fremden kamen ihr gerade recht. Woher wir kommen, wieviele Kinder, welchen Beruf, welches Alter, ob wir Portugal lieben (überflüssige Frage!) – sie fragte und redete und redete. Und wir beantworteten brav ihre tausend interessierten Fragen.
Dass ich ein Buch geschrieben habe mit dem unübersetzbaren Titel vom blauen Casanova.
Warum blauer Casanova und warum bester Liebhaber der Welt?
Weil das einmal in der Zeitung gestanden habe. Ja, da habe einmal das Ergebnis einer Umfrage gestanden, da habe gestanden: Der Portugiese ist der beste Liebhaber der Welt.
Die Alte guckte schelmisch und fragte, ob ich das nachgeprüft habe und bestätigen könne.
Ich zuckte mit den Schultern und machte ein Gesicht, hintergründig-unschuldig-wissend-ahnungslos, alles gleichzeitig. (Das habe ich hier gelernt: Man zieht die Schultern ein wenig hoch, streckt den Kopf vor, zieht die Augenbrauen hoch – eine tolle Geste, die alles und gar nichts sagt.)
Aber die Alte verstand. Sie antwortete begeistert: Doch, doch, das sei ganz zutreffend, das ist in der Tat so, der Portugiese ist der beste amante der Welt, das stimmt - und fängt an, mir etwas von ihrem Sohn zu erzählen. Begeistert, ja, aber ganz leise-verschwörerisch, getuschelt, mit sparsamen Bewegungen der Hände, so dass in diesem ihrem understatement alles völlig glaubwürdig war:
Also, ihr Ältester – ob ich den kenne?
Na klar, ich kenne ihn, ein braver Ehemann, ein bescheidener, unscheinbarer, treuer Staatsbürger.
Ja, sagt sie, heute ist er das . Aber ich hätte ihn mal früher sehen sollen! Ein Herzensbrecher, Draufgänger, wie es keinen zweiten gibt!
Ehrlich?
Aber gewiß, meine Kleine, sagt sie, der hatte an jedem Finger drei. Der hatte immer was am Laufen. (Er ließ nichts anbrennen, sagt man wohl.) Vier Mädchen aus demselben Dorf, die schönsten und reichsten Mädchen, mit denen er gleichzeitig verabredet war. Dass er das überhaupt alles so gemanagt hat, dass keine je was von der anderen wusste, sei selbst für ihn oft nicht ganz leicht gewesen, sagt die Mutter bei aller Untertreibung doch mit einer Spur Stolz und Genugtuung. (Mein Sohn, der tolle Hecht!)
Ich staune nicht schlecht. Ei, wer hätte das gedacht? Ob das wohl tatsächlich stimmt? Nein, wahrscheinlich weiß sie nicht einmal alles, wahrscheinlich kennt sie nicht einmal sämtliche Weibergeschichten von ihrem Sohn, dem besten Liebhaber. Welcher Sohn erzählt denn seiner Mutter alle seine Affären und Amouren? Allerdings hört eine Mutter, die Analphabetin ist, ja ein bisschen mehr als jede normale Mutter, weil ihre Sinne besser ausgebildet sind, besonders der 7. Sinn. Die hört das Gras wachsen.
Ich lausche und staune:
Einmal allerdings sei ihr Sohn auf einen Ball gegangen und habe wartend am Eingang gestanden und erst einmal die Lage überblickt (Portugiesische Liebhaber, ich meine Jugendliche, stehen immer in der Eingangstüre, an den Pfosten gelehnt, beobachten alles aus der Entfernung, völlig cool, machen ein unbewegtes Gesicht und tun ganz gleichgültig, aber in ihnen kocht es!!), und da habe er entdeckt, dass drei seiner Flammen, die er gleichzeitig nebeneinander hatte, dass drei auf demselben Tanzfest waren. Da habe er kurze Hacken gemacht und sei heimlich wieder umgekehrt, denn diese "Konfusion" wollte er nun doch nicht heraufbeschwören.
Kann ich mir gut vorstellen, sage ich. Genau wie bei dem historischen Herrn
Casanova, der sich einen Diener halten musste, welchselber für ein wenig Ordnung im Schlafzimmer und Terminkalender seines Herrn sorgte. Das ginge doch nicht gut, wenn eine der einzigartigen Geliebten je einer anderen einzigartigen Herzensdame begegnet wäre! Man bedenke!!
Jaja, sagt die alte Mutter und lächelt, weil sie an die schöne Zeit zurückdenkt, jaja, das stimme schon, dass die portugiesischen Männer… Natürlich nicht alle. Aber die meisten doch. Und ganz besonders ihr Sohn. Jaja.
Ich fürchte mich jetzt richtig, dem netten Senhor wieder unter die Augen zu treten, nach allem, was ich über seine Bettgeschichten weiß.
Gut, sie gehören der Sturm- und Drangzeit an, längst vergessen, sein Mütchen hat er längst gekühlt! Wie gesagt, er macht jetzt den Eindruck eines braven, treuen, unscheinbaren Familienvaters.
Doch wir wissen mehr!
Wahrscheinlich fällt mir das alles aber just in dem Augenblick ein, wenn ich ihn mal wieder sehe.
Und meine Unbefangenheit ist futsch.