Zuwendungen
Die ältere Patientin im Nachbarbett war sehr krank und sehr unruhig. Sie warf sich im Bett von einer Seite auf die andere, ihre Beine kämpften ständig mit der Bettdecke, dabei redete sie immer laut vor sich hin, sogar nachts, ja, besonders nachts vor dem Einschlafen. Ich lauschte, ob ich irgendetwas davon verstehen könnte. Sprach sie portugiesisch? Oder waren es nur irgendwelche Laute?
Diese Dona Odilia hatte eine sehr angenehme Stimme und sie sprach freundlich wie eine Lehrerin oder Kindergärtnerin, die einem Kind etwas erklärt oder vorliest. Ihr Gemurmel und Gerede störte mich nicht, es erschien mir nur so rätselhaft, als gebe es noch irgendwo eine Sprache, die keiner von uns versteht. Man müsste sich die Zeit für ein langes Gespräch nehmen, sich neben die Kranke setzen und sie befragen oder ihr antworten. Aber die Schwestern, die sie aufopfernd umsorgten, konnten natürlich nicht stundenlang neben ihr sitzen und Händchen halten. Sie gaben sich schon sehr viel Mühe und brauchten viel Zeit und Geduld, sie bei der Einnahme der Mahlzeiten zu unterstützen.
Ich erinnerte mich lebhaft an die Fütterung unserer Zwillinge, die alle Tricks anwendeten, um diese Nahrungsaufnahme so langwierig und doch so kurzweilig, wie sie es wollten, zu gestalten. Wie schön, wenn dann die Großmutter mit Engelsgeduld und ohne Zeitdruck den Löffel nahm und die beiden fütterte, indem sie wunderbare Begleitgeschichten erzählte und manche Versprechen machte: „So, nun noch dieses Löffelchen und dann…“
Eines Sonntags kam eine Volontärin oder „Grüne Dame“, wie man diese freiwilligen Helferinnen in Deutschland nennt. Sie war sehr freundlich und zurückhaltend, ging den Kranken ein wenig zur Hand und durfte dann die Schwester beim Abendessen ablösen.
Sie verbrachte eine lange Zeit am Bett dieser älteren Dame, indem sie ihr Löffel für Löffel das Essen mit vielen lieben Worten reichte: „Und nun kommt noch ein bisschen Kartoffelbrei mit Gemüse, das wird Ihnen besonders gut schmecken, Dona Odilia, so ein feines Gemüse mögen Sie doch sicher gerne essen. Und jetzt ist kaum noch etwas von dem zarten Fleisch übrig. Der Teller ist fast leer und blank, man sagt dann, dass morgen die Sonne scheint. Ja, sehr gut, Dona Odilia, essen Sie nur, so ist es gut. Dann kommen Sie wieder zu Kräften, das Essen macht Sie stark und gesund, Dona Odilia ….“.
In dieser Nacht hat Dona Odilia ruhig durchgeschlafen und kein einziges Wort gemurmelt.