Ein brasilianischer Arzt erzählte uns von seiner Arbeit in einem städtischen Unfall-Krankenhaus, wo er als Chirurg tätig ist. Er sagte, dass er fast täglich – vielmehr nächtlich -zusammenbreche unter der vielen Arbeit.
"Gibt es so viele Verkehrsopfer?"
"Nein, das weniger, aber viele Überfälle. Den Menschen sitzt das Messer sehr locker, oder sie ziehen bei jeder Auseinandersetzung und bei jedem Angriff sofort den Revolver. Ich flicke Nacht für Nacht mehrere Schwerverwundete wieder zusammen." Er stöhnte: "Oh, Gott…, es ist schlimmer als im Krieg."
"Wie erklären Sie sich diese Neigung zur Kriminalität? Ist das auf den großen Unterschied zwischen Armen und Reichen zurückzuführen? Kocht das Blut, weil die soziale Unterschicht sich ungerecht behandelt fühlt? Liegt es den Menschen im Blut, sie sind ja sehr heißblütig, wie man sagt."
Während der folgenden erregten Diskussion dachte ich, dass es doch eigentlich allen Menschen im feucht-heißen Klima Nordbrasiliens ähnlich ergehen müsse wie den Saunabesuchern hier im kühlen Europa. Ich habe oft – bei anderen und bei mir – beobachtet, dass man in der heißen Sauna wie eine müde und ermattete Mittagsfliege herumsitzt, kaum noch denken kann, nichts mehr sagen mag und nur noch seine Ruhe haben will: "Quatsch mich bloß nicht von der Seite an."
Eine alte Saunaweisheit sagt: In der Sauna verraucht der Zorn und die Galle verdörrt.
Wenn ich die Leute am Strand in Bahia liegen sah, auf den Stufen im Schatten eines Gebäudes hocken oder an einem Cafétischchen herumhängen sah, dachte ich immer, wie apathisch, lethargisch und eigentlich friedfertig die Menschen in dieser schweißtreibenden Saunaglut wirken, die einen nicht nur zu jeder Handlung unfähig macht, sondern auch gelassen und gleichgültig gegenüber Streitereien. Wie in der Sauna, wo jeder völlig leidenschaftslos vor sich hin brütet und denkt: "Lass mich in Ruhe, fang keinen Streit mit mir an, lass mich einfach hier sitzen…"
Aber vielleicht erwachen die Lebensgeister mit der hereinbrechenden kühlen Nacht?