Warum die Heilige Barbara “die des Donners” genannt wird
Jorge Amado erzählt in seinem Buch “Das Verschwinden der heiligen Barbara” die turbulente Geschichte von der christlichen Heiligen Santa Barbara, die aus einem Gemälde heraussteigt und als Göttin Yansã, das ist die Gebieterin über Wind und Sturm, in Salvador /Bahia in einem Karneval der Sinne herumwirbelt, liebt, tanzt, küsst, Liebende zusammenführt, Männern den Kopf verdreht, Geistliche verwirrt und alle Menschen in einen Taumel versetzt und glücklich macht.
Die Santa Barbara ist identisch mit einer afrobrasilianischen Orixá – Orixás heißen die afrikanischen Gottheiten in Brasilien. Diese Orixá Yansã wird begrüßt mit dem Ausruf “Eparrei Oyá!” Sie trägt die Farben Rot und Schwarz, einen Dolch und einen Ochsenziemer. Das liturgische Tier, das ihr als Opfertier zugeordnet wird, ist die Ziege. Als Tag ihrer besonderen Verehrung ist ihr der Mittwoch geweiht, und als Tierkreiszeichen schreibt man ihr “Jungfrau” zu.
Dass ein solcher Synkretismus existiert, dass also christliche Heilige, ja, Jesus Christus und Maria selbst, in der Vorstellung der afrobrasilianischen Gläubigen identisch sind mit den Orixás, die eigentlich Naturkräfte versinnbildlichen, verstanden wir bald, als wir die Geschichte der Sklaven in Brasilien ein wenig näher kennenlernten.
Durch den Sklavenhandel sind 5 – 10 Millionen Schwarzafrikaner unterschiedlichster Rassen nach Brasilien verschleppt worden. Sie bestimmen in Bahia das Erscheinungsbild wirklich auffallend. Besonders ihre Musik, ihre Lebensweise, ihre Speisen und ihre Bräuche fanden Eingang in die Kultur Brasiliens. Auch ihre Religion vermischte sich mit der staatlich angeordneten katholischen Religion. Obgleich die religiösen Bräuche der Sklaven, die alle zum Katholizismus übertreten mussten, von der brasilanischen Amtskirche und der kolonialen Obrigkeit verboten wurden, hielten die heimwehkranken Schwarzafrikaner an ihrem Glauben fest und täuschten die Verehrung der katholischen Heiligen vor, hinter denen sich aber ihre afrikanischen Gottheiten verbargen: Sie feierten dementsprechend die Heilige Barbara in Gestalt ihres afrikanischen Ebenbildes, das ihr ähnlich war und wesensmäßig entsprach.
So konnte also aus der christlichen Märtyrerin, der Heiligen Barbara, jener Kaufmannstochter, die dem Glauben an Jesus Christus nicht absagte, deshalb in einen Turm gesperrt wurde und schließlich im Jahre 306 von ihrem Vater enthauptet wurde, in Bahia eine feurige afrikanische Schönheit namens Yansã werden. Gar nicht einmal so unpassend, denn auch als christliche Heilige wird sie mit dem Schwert (und mit Turm und Kelch) dargestellt und als Schutzheilige der Artillerie (und der Bergleute) verehrt. Als Nothelferin wird sie bei Blitz und Gewitter angerufen. Die Heilige Barbara wird am 4. Dezember gefeiert, dann schneidet ein Liebender Kirschzweige und stellt sie in die Vase, damit sie zu Weihnachten blühen, was ein Zeichen für die Erfüllung seiner Liebe ist.
Die heilige Barbara ist auch die Schutzheilige der Architekten, damit der Turm nicht schief wird oder einstürzt … .