Bei der Gesprächsrunde mit Schülern und Lehrern im Goethe-Institut in Salvador fragte ich so nebenbei, welche Goethe-Ausgabe man denn hier im Hause habe und wieviele Bände Goethescher Literatur vorhanden seien, weil die Institution schließlich unter diesem bedeutenden Namen firmiere.
Nun, um es kurz zu machen, keiner wusste so recht Bescheid.
Dann aber fragte mich ganz keck einer der Schüler (Angriff ist die beste Verteidigung!), welche brasilianischen Dichter und Schriftsteller ich denn kenne.
Schlicht und selbstbewußt nannte ich alle Bücher von João Ubaldo Ribeiro, die ich gerade in Rio gelesen hatte, wo dieser Schriftsteller schließlich unser Balkon-Gegenüber war. Das dicke Buch über "Brasilien, Brasilien" und seine Glossen, die er als Stipendiat in Berlin geschrieben hat: "Ein Brasilianer in Berlin", köstlich!
Und natürlich kenne ich Paulo Coelho. Dessen "Alchimist" ist in Deutschland immer noch ein Renner. Auch in Portugal gehen seine Bücher am besten. Auf dem 1. Büchermarkt 2003 in Vagos kauften die jungen Leute vor allem Coelhos neueste Bücher. Da konnten wir Heimatdichter nicht mithalten.
Na, und dann Jorge Amado!
Der große Schriftsteller aus Salvador.
Ein eigenes Museum hat man ihm gewidmet. (Da kann ich erst beim nächsten Mal hin.)
"Lesen Sie Jorge Amado", empfahl uns unser deutscher Bekannter, der hier bei Aveiro einen Pflanzenmarkt hat. Er ist mit einer Ärztin aus Bahia verheiratet und kommt immer ins Schwärmen, wenn er von Brasilien erzählt. "Lesen Sie vor allem das Buch GABRIELA, CRAVO E CANELA."
Dieses Buch "Gabriela wie Zimt und Nelken" gab es leider nicht deutscher Übersetzung, also kaufte ich andere und las: "Tieta aus Agreste" (aha, das war doch vor Jahren diese Dauerserie im portugiesischen Fernsehen, – eine leidenschaftliche Liebesszene nach der anderen, alle Frauen saßen schluchzend beim Abendessen vor der Glotze und litten mitTieta aus Agreste – also, brasilianische Telenovelas sind nicht zu überbieten an Gefühl und Leidenschaft und überhaupt das Größte!)
Dann las ich noch "Die Abenteuer des Kapitäns Vasco Moscoso" und "Die drei Tode des Jochen Wasserbrüller". Und vor allem, ein Geschenk des aufmerksamen literaturkundigen Heinz, "Das Verschwinden der heiligen Barbara". Liegt ja nahe, dass ich den Roman meiner Namenspatronin lese. Das heißt, ich begann dreimal mit der Lektüre dieses Buches – und verstand nichts. Ich verstand das ganze Konzept nicht, ich verstand den Rhythmus der Erzählungen nicht, ich verstand weder die Sätze und Bilder noch den ganzen Sinn dieser eigenartigen quirligen Geschichte, wo eine Heilige aus einem Gemälde steigt und sich als verführerische Schönheit unter die Menschen von Salvador mischt, so dass alle ganz verdreht und euphorisch werden, die Tänzer und Dichter und Liebenden. Wie konnte ich das verstehen, wenn ich keine Vorstellung von Brasilien und von den Brasilianern habe und keinen blassen Schimmer vom Karneval in Bahia, wo "Götter und Menschen gleich werden", wie man sagt.
Aber dass ich ihren Jorge Amado nicht verstehe, habe ich den jungen Leuten im Goethe-Institut nicht zugegeben. Außerdem fing ich ja damals schon an zu ahnen und zu begreifen… Bahia hatte mich schon verzaubert. Also zählte ich an diesem Abend nur auf, was ich alles wusste.
Damit waren sie sehr zufrieden, die Gustavs, Oswalds, Ricardos, Marcelos und Ottos, und ihre Augen leuchteten stolz.