In dieser Weltstadt, in der Millionenstadt Rio de Janeiro, wo sich die vielfältigsten Nationen, Rassen und Kulturen mischen, absolvierten wir beiden deutschen Portugiesen vom Dorfe gewissermaßen einen Crash-Kurs in Sachen Kultur, insbesondere der "Internationalen Küche" mit dem Erfolg, dass wir schließlich imstande waren, an der Sushi-Bar mit Stäbchen zu speisen, ohne dabei die Konversation mit einem Saki-schlürfenden Nachbar rechts (er trank tatsächlich ein übervolles Kistchen Saki mit dem Strohhalm aus und wurde immer fröhlicher) zu unterbrechen.
Unser wunderbarer Freund als vorzüglicher Gastgeber öffnete uns die Augen für unendlich viele Dinge, die ein Tourist sonst überhaupt nicht wahrnimmt, schon deshalb nicht, weil ihn niemand darauf aufmerksam macht und weil die Fülle der Eindrücke seine Sinne ohnehin betäubt. An die heimische portugiesische Küche gewöhnt, (es gibt hier außer mal einer Einladung zu bayrischer Weißwurst oder echt deutschem Kasseler mit Sauerkraut kaum Abwechslung für den Gaumen), staunten wir nicht schlecht über das ausgezeichnete Angebot in der Millionenstadt Rio und stürzten uns ins Abenteuer.
Zuerst einmal aber genossen wir die berühmte schwarze brasilianische Bohnensuppe, die Feijoada. Das Rezept kannte ich schon gut aus dem Kalender des Gustav-Adolf-Werks, der im Jahr 2003 das Thema Brasilien behandelte. Ich hatte es am heimischen Herde ausprobiert, Wort für Wort den Angaben im Kalender folgend. Dort erfuhr man, dass die arme Bevölkerung Brasiliens dieses Bohnengericht ursprünglich als eine Art Resteverwertung kochte. Die minder wertvollen Fleischstücke durften die Küchenangestellten aus den Herrenhäusern mit nach Hause nehmen und für sich zubereiten. In so eine Suppe gehören also Schweineohren, -schnauzen, -pfoten und andere Kleinteile, was nicht weiter befremdend für uns ist, denn die Leute vom Dorf hier in Portugal sind ausgesprochen "scharf" gerade auf diese Leckerbissen, wie wir schon oft schaudernd miterlebt hatten. Unvergesslich die Beobachtung, wenn der Bauer und Hausherr genüsslich am Kratzefuß eines Huhns knabberte oder ein Stückchen Schnauze des Spanferkels als höchste Delikatesse anpries. Meistens wird die brasilianische Feijoada in den Retaurants in Rio nur an Samstagen als traditionelles landestypisches Gericht angeboten.
"Unsere" von Edit zubereitete Feijoada mit Coreander und duftendem Reis als Beilage war natürlich mit diesen Restaurantgerichten nicht zu vergleichen. Sie schmeckte köstlich, ich hätte jeden Tag Feijoada essen mögen.
Trotzdem war es fantastisch, einmal arabische, dann französische, italienische, argentinische oder chinesische Küche kennenzulernen. Wir kamen uns schon nach wenigen Tagen wie weltgewandte Spezialisten vor, die mitreden konnten. Wir stellten uns in die Warteschlange des allerbesten "Kilo-Restaurants", unterhielten uns freundlich mit den anderen Wartenden, bis ein Tisch frei geworden war, gingen dann mit unserem Teller und mit Kennerblick am Buffet entlang, füllten uns das eine oder andere Häppchen auf, schritten zur Waage und ließen die Speisen abwiegen (man zahlt nach Gewicht) und nahmen dann gelassen Platz, um die Köstlichkeiten zu verzehren. Für die hundert Sorten Nachtisch zogen wir dann wieder mit einem Teller los.
Die Nahrungsaufnahme wurde auf diese Weise zu einem Kulturerlebnis, wie wir es noch nie erlebt hatten (allein die halbstündige Zeremonie, eine Banane zu flambieren, die uns Leonor vorführen ließ!), ja, hochkulturell, zumal wir dabei noch die muntersten Gespräche führten, spannende (spangende) Begegnungen (erinnert euch allein die "Zahnspange") hatten, Visitenkarten und Mail-Adressen ("Haben Sie Zugang zum Internet? Besuchen Sie uns auf unserer Homepage!") austauschten und viele interessante Mitmenschen beobachten konnten.