Mutter Courage in Lisboa / Mãe Coragem em Lisboa | |||||
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Barbara Seuffert: Mutter Courage in Lisboa, 24.1.11 - 22:28 Bert Brechts "Mutter Courage" gehört zu unserer Biografie und in ganz besonderer Weise zu Portugal dazu. Seit wir hier auf dem Dorf leben, überhaupt seit mehr als 20 Jahren zitieren wir Sätze aus dem Brecht-Stück, erinnern uns an Szenen, die wir hier geübt haben, an Sätze, die wir hier einstudiert und besonders treffend gefunden haben, an den ungeheuren Lebenswillen dieser Frau und an ihre unterschiedlichen Kinder Kattrin, Eilif und Schweizerkäs. Und nun wurde das Stück in Lisboa, im Centro Cultural in Belem aufgeführt,
das hatten der Feldprediger und der Schweizerkäs herausgefunden.
Da müssten wir hin! Das müssen wir sehen und vergleichen, dann
wird es noch leichter sein, die portugiesische Seele zu beschreiben. War
ja eigentlich erst nur so ein Wunsch... Allerdings sitze ich heute mit übervollem Herzen und tausend Gedanken
da und werde keine Theaterkritik zustande bringen. Schon gar keine zünftige.
Es war nämlich alles ganz anders, so ganz und gar portugiesisch anders. Fangen wir also beim Anfang an. Dann besteigt die stumme Kattrin das Gefährt und steht da so lange
still, bis es dunkel wird und der Lichtschein nur noch die Bühne
erhellt. Mutter Courage zieht mit ihren Kindern los und folgt den Kriegstruppen, sie drehen in wildem Tempo ihren "Wagen" und gebärden sich übermütig, selbst als der Soldat sie anhält und nach Namen und Grund der Reise und der "Lizenz" (ihre "Papiere" sind ein Messbuch aus Altötting zum Einschlagen von Gurken) fragt meine wunderschöne geliebte Stelle! Anna Fierling stellt sich und ihre Kinder vor, frech, witzig, vorlaut und selbstbewusst, und die drei stehen da wie Hintergrundsinger bei einem Popstar und bewegen sich mit den gleichen anmutigen tänzerischen Bewegungen und Grimassen und sich selbst charakterisierend. Von dieser Szene an habe ich nicht mehr geatmet, glaube ich. Mutter Courage ist klein und blond, zäh, eine Kanaille, wenig liebenswert und recht unsympathisch, man glaubt ihr ihre Courage, und dann singt sie mit einer großen tiefen lauten Stimme. Was für eine Frau, was für eine lebendige Frau. Aber sie ist nicht die Hauptperson. Die Hautfigur in dieser Inszenierunng ist die stumme Kattrin, die gar nicht spricht und doch so viel sagt. Sie hat so viel Seele und rührt an so viele verschüttete Dinge, sie spricht mit ihren Augen und ihren Händen, sie weint, lacht, tobt, leidet. Und einmal am Ende singt sie sogar: ihre Seele singt. Sie steht mit abgewandtem Gesicht oben auf dem Gefährt und spricht mit ihren Händen, die man auf den Foto-Facetten fünfzigmal sehen kann. Und die Töne hören sich sehr schön an, es sind klagende Weisen, ein schöner warmer Alt: Ihre Seele singt. Was für eine Rolle, die sonst recht schwach außer bei
der Trommelszene - gespielt wird. Aber hier spielt eine seelenvolle Stumme. Aber da sind ja auch noch die andern, der kriegsbegeisterte Eilif, der das Lied vom Soldaten singt und danach den Feldprediger spielt herrlich, jedes Detail ist so köstlich und symbolisch. Ein kleines Hämmerchen hält er ständig wie ein Kruzifix vor sich, und als mal die Katholischen, mal die Lutherischen siegen, hängt er sein Mäntelchen nach dem Wind, nein, er lässt seinen Rock bzw. seine Hosen fallen (ist das nicht ein Skatausdruck?) und trippelt fortan mit eigenartigem Ruckelschritt in den Stoffmassen zu seinen Füßen herum. Er bleibt der Feldprediger und taucht auch als der tatterige Lover der Yvette auf: "Ich rat es dir, Haserl, kauf den Wagen der Courage." Und der Koch, dieser lachende, pralle Opportunist mit der Stummelpfeife, er tanzt und singt vor den Häusern, um eine Brennsuppe bittend, turnt geschmeidig wie ein Tiger auf dem Gefährt der Courage und auf ihr herum, strotzend vor Kraft und Sexualität. Und die Yvette, die durch die Szene taumelt und singt: "Und nach der Maiandacht, da kam die Maiennacht", aber nicht so schrill hoch, wie Dessau das wohl vorgeschrieben hat, ihre roten Stöckelschuhe sind feste rote Schnürstiefel und ihr Hurenhut sieht wie eine Tiara aus. Warum hatten wir keine Rosen, um sie auf die Bühne zu werfen!
Caros amigos alemães Foi com grande prazer que vi os vossos olhos brilhar depois do nosso
Danke für das posting sagt der Schweizerkas.
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