5.
5. Tag
Die Insel Pico
Nun hatten wir also schon 4 Inseln besucht, packten morgens die Koffer
in den Bus und brachen zur Rundfahrt auf, die abends auf dem Flughafen
beendet sein würde. Der Busfahrer war der Ehemann der jungen Reiseleiterin
Filomena, und an einer Haltestelle setzte der Großvater noch deren
Söhnchen in den Bus - ein Familienunternehmen der Picotas, denen
die ganze Insel zu gehören scheint.
Eine Weinkellerei wurde angesteuert. Wer kann denn zum Frühstück
schon Weine verkosten? Na, ein echter Portugiese kann wohl alles.
Beim nächsten Halt wurde eine Käserei leer gekauft, denn die
Käsewürfel am Hauseingang waren überzeugend. (Wir haben
die köstlichen Inselkäse - Plural von der Käse - bis jetzt
nur bei LIDL wiedergefunden! Pardon, aber "Feira Nova" hat sich
offensichtlich nicht azorenmäßig orientiert.)
In einem kühlen Kellerraum verkaufte eine alte Frau die Handarbeiten
ihrer Nachbarinnen. Filomena erklärte uns die Muster, die immer wieder
Trauben, Seesterne und Himmelssterne, Hortensiendolden und Chrysanthemen
zeigen.
Hoch oben über dem Meer, am Abhang des Pico, hatte ein Wirt mit seiner
Frau aus Aveiro ein Café erbaut. "Gefällt es euch hier?",
fragten sie uns. "Ja, es muss wunderbar friedlich (da glaubte ich
noch an das Gute im Menschen und an die fehlende Kriminaltät auf
diesem und jedem weiteren paradiesischen Eiland) und erholsam sein, auf
dieser Insel seinen Urlaub zu verbringen, im klaren Meerwasser zu baden,
die Natur zu bewundern", sagten wir und fragten, was Tag in einer
Privatpension kostet. Aber 90 Euro ist ja doch ganz schön viel für
1 Tag pro Person.
In einer Dorfkirche stand keine Nossa Senhora im Mittelpunkt, sondern
eine große Christusfigur hinter dem Altar, O Senhor Santo Cristo,
blutig und bloß und mit gefesselten Händen, aber mit einem
kostbaren, golden bestickten Samtmantel umhüllt. Dona Graça
stellte sich auf und sang ein lateinisches Tedeum, und alle lauschten
artig der brüchigen Stimme und klatschten bewundernd an den Stellen,
wo die hohen Töne ausblieben.
Vor der Mittagspause erging man sich im Picknickpark St. Johannes und
bewunderte die Aussicht. An allen landschaftlich schönen Plätzen
hat man in Portugal solche Merenda-Parks, aber eigentlich kamen mir die
Inseln wie ein einziger Picknickpark vor.
Nach dem ausgiebigen Mittagsmahl (warum eigentlich "ausgiebig"?
Wer verausgabte sich da, der Wirt oder die ausgehungerten Touristen?)
besuchten wir den Hafenort Lajes do Pico, der ehemals vom Walfang lebte
und in einem Museum Zeugnisse aus dieser mehr oder weniger glorreichen
Zeit ausstellt. Ich lernte, dass es 30 Sorten Wale gibt, hier in der Nähe
aber nur noch der Pottwal, der cachalote, anzutreffen ist, den die Besucher
der Walbeobachtungsstation auf Ausflügen unter sachkundiger Leitung,
also auf Schlauchbootfahrten sichten können. Das Fleisch, der Tran,
die Haut und besonders die Stoßzähne - alles wurde verarbeitet.
Und die Fotos der berühmten Walfänger hingen an den Wänden
zur Erinnerung an wahres Heldentum und Kraft und Männlichkeit. Eine
Gruppe junger Leute aus Bayern trabte hinter ihrem Führer her und
kämpfte für Greenpeace, den Erhalt der Wale und die Rettung
des Pico. Immer diese Ausländer, die die Welt retten wollen. Als
ob wir das nicht alleine schaffen.
Darauf fuhren wir durch eine völlig alpinistische Bergwelt zum Pico
hinauf, zur Lagoa do Capitão (ein Kratersee, 900 m über dem
Meeresspiegel). Die Bergspitze hatte sich total in Nebel eingehüllt,
es schien zu nieseln, obwohl am Strand doch unten die Sonne schien. Hier
müsste man mal wandern und die Vegetation untersuchen und die seltenen
Pflanzen entdecken.
Auf dem Weg zum Flughafen durften wir noch den Cachorro besichtigen, das
ist ein Ort, der seinen Namen nach einem hundekopfähnlichen Felsen
im Wasser bekommen hat. Man muss aber lange Ausschau halten, bis man den
Cachorro, den jungen Hund, entdeckt, der aus Zement zusammen gekleistert
ist. In einer Bretterbude gibt es mit Schnaps versetzten Himbeersirup
als Spezialität des Landes zu kaufen.
Ankunft auf S. Miguel. Großstadt-Flair.
Im Hotel Caravelas in Ponta Delgada auf S. Miguel benimmt sich die Gruppe
wieder zivilisiert und kultiviert, ohne sich am Buffet unanständig
die Teller zu überhäufen und ohne sich die Seiten vollzuschlagen.
Man sitzt einzeln an Tischen mit Vista Alegre-Porzellan, blanken Gläsern
und Damastservietten, betrachtet bei gedämpftem Geplauder die blaue
Agapanthus-Blüte in der Kristallvase auf dem Tisch und lässt
sich von höflichen Kellnern bedienen.
Fortsetzung folgt
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