AZOREN-TAGEBUCH    DIÁRIO AÇORIANO

  Barbara Seuffert © 2004

 

 

5.

5. Tag
Die Insel Pico

Nun hatten wir also schon 4 Inseln besucht, packten morgens die Koffer in den Bus und brachen zur Rundfahrt auf, die abends auf dem Flughafen beendet sein würde. Der Busfahrer war der Ehemann der jungen Reiseleiterin Filomena, und an einer Haltestelle setzte der Großvater noch deren Söhnchen in den Bus - ein Familienunternehmen der Picotas, denen die ganze Insel zu gehören scheint.
Eine Weinkellerei wurde angesteuert. Wer kann denn zum Frühstück schon Weine verkosten? Na, ein echter Portugiese kann wohl alles.
Beim nächsten Halt wurde eine Käserei leer gekauft, denn die Käsewürfel am Hauseingang waren überzeugend. (Wir haben die köstlichen Inselkäse - Plural von der Käse - bis jetzt nur bei LIDL wiedergefunden! Pardon, aber "Feira Nova" hat sich offensichtlich nicht azorenmäßig orientiert.)
In einem kühlen Kellerraum verkaufte eine alte Frau die Handarbeiten ihrer Nachbarinnen. Filomena erklärte uns die Muster, die immer wieder Trauben, Seesterne und Himmelssterne, Hortensiendolden und Chrysanthemen zeigen.
Hoch oben über dem Meer, am Abhang des Pico, hatte ein Wirt mit seiner Frau aus Aveiro ein Café erbaut. "Gefällt es euch hier?", fragten sie uns. "Ja, es muss wunderbar friedlich (da glaubte ich noch an das Gute im Menschen und an die fehlende Kriminaltät auf diesem und jedem weiteren paradiesischen Eiland) und erholsam sein, auf dieser Insel seinen Urlaub zu verbringen, im klaren Meerwasser zu baden, die Natur zu bewundern", sagten wir und fragten, was Tag in einer Privatpension kostet. Aber 90 Euro ist ja doch ganz schön viel für 1 Tag pro Person.
In einer Dorfkirche stand keine Nossa Senhora im Mittelpunkt, sondern eine große Christusfigur hinter dem Altar, O Senhor Santo Cristo, blutig und bloß und mit gefesselten Händen, aber mit einem kostbaren, golden bestickten Samtmantel umhüllt. Dona Graça stellte sich auf und sang ein lateinisches Tedeum, und alle lauschten artig der brüchigen Stimme und klatschten bewundernd an den Stellen, wo die hohen Töne ausblieben.
Vor der Mittagspause erging man sich im Picknickpark St. Johannes und bewunderte die Aussicht. An allen landschaftlich schönen Plätzen hat man in Portugal solche Merenda-Parks, aber eigentlich kamen mir die Inseln wie ein einziger Picknickpark vor.

Nach dem ausgiebigen Mittagsmahl (warum eigentlich "ausgiebig"? Wer verausgabte sich da, der Wirt oder die ausgehungerten Touristen?) besuchten wir den Hafenort Lajes do Pico, der ehemals vom Walfang lebte und in einem Museum Zeugnisse aus dieser mehr oder weniger glorreichen Zeit ausstellt. Ich lernte, dass es 30 Sorten Wale gibt, hier in der Nähe aber nur noch der Pottwal, der cachalote, anzutreffen ist, den die Besucher der Walbeobachtungsstation auf Ausflügen unter sachkundiger Leitung, also auf Schlauchbootfahrten sichten können. Das Fleisch, der Tran, die Haut und besonders die Stoßzähne - alles wurde verarbeitet. Und die Fotos der berühmten Walfänger hingen an den Wänden zur Erinnerung an wahres Heldentum und Kraft und Männlichkeit. Eine Gruppe junger Leute aus Bayern trabte hinter ihrem Führer her und kämpfte für Greenpeace, den Erhalt der Wale und die Rettung des Pico. Immer diese Ausländer, die die Welt retten wollen. Als ob wir das nicht alleine schaffen.

Darauf fuhren wir durch eine völlig alpinistische Bergwelt zum Pico hinauf, zur Lagoa do Capitão (ein Kratersee, 900 m über dem Meeresspiegel). Die Bergspitze hatte sich total in Nebel eingehüllt, es schien zu nieseln, obwohl am Strand doch unten die Sonne schien. Hier müsste man mal wandern und die Vegetation untersuchen und die seltenen Pflanzen entdecken.
Auf dem Weg zum Flughafen durften wir noch den Cachorro besichtigen, das ist ein Ort, der seinen Namen nach einem hundekopfähnlichen Felsen im Wasser bekommen hat. Man muss aber lange Ausschau halten, bis man den Cachorro, den jungen Hund, entdeckt, der aus Zement zusammen gekleistert ist. In einer Bretterbude gibt es mit Schnaps versetzten Himbeersirup als Spezialität des Landes zu kaufen.

Ankunft auf S. Miguel. Großstadt-Flair.
Im Hotel Caravelas in Ponta Delgada auf S. Miguel benimmt sich die Gruppe wieder zivilisiert und kultiviert, ohne sich am Buffet unanständig die Teller zu überhäufen und ohne sich die Seiten vollzuschlagen. Man sitzt einzeln an Tischen mit Vista Alegre-Porzellan, blanken Gläsern und Damastservietten, betrachtet bei gedämpftem Geplauder die blaue Agapanthus-Blüte in der Kristallvase auf dem Tisch und lässt sich von höflichen Kellnern bedienen.

Fortsetzung folgt

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