AZOREN-TAGEBUCH | DIÁRIO AÇORIANO | ||||
Barbara Seuffert © 2004 |
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4.
4. Tag Morgens um 8 Uhr ging die Fähre nach Faial. Die Führung übernahm eine begeisterte junge Frau, deren Lehrer unser Azoren-Pflanzenbuch geschrieben hat. Sie kannte sich sogar in den botanischen Namen aus. Die vulkanische Insel ist ein Paradies für Biologen und Geologen und Metereologen, aber auch für Touristen und vor allem für die Amerikaner, die hier stationiert sind und einen eigenen Hafen und eine Air Base haben. Gegen Abend auf dem Weg zur Anlegestelle in Horta, so heißt das
Städtchen auf Faial, sprachen wir mit einer Frau, etwa 60 Jahre,
die uns in schönstem Englisch ihre Lebensgeschichte erzählte.
Sie musste wie viele andere die Insel nach dem letzten Vulkanausbruch,
der war 1957, verlassen, weil es keine Perspektiven mehr gab, keine Arbeit,
kein Brot, keine Wohnung. Sie wanderte nach Canada aus und kehrte jetzt
zum Urlaub zurück: "Aber das ist meine Heimat nicht mehr!"
Jetzt ist der Südosthang total mit Luxushotels und Privatwohnungen
für reiche Ausländer bebaut, im Hafen liegen Segelyachten, die
Preise sind gepfeffert und unbezahlbar, und nur, wer dort noch bei Geschwistern
unterkommen kann, kann sich die Insel leisten. Wir besuchten die natürlichen Schwimmbecken im Vulkangestein mit Ozeanwasser und umfuhren die gesamte grüne Insel (Wiesenquadrate, Wein und blaue Hortensien! "Und einen Himmel aus Hortensien seh ich auch..."), bestaunten die Kraterlöcher und den verschütteten ehemaligen Leucht- und Aussichtsturm des Vulkans dos Capelinhos und genossen einmalige Blicke auf den gegenüberliegenden Pico, der wie der von Fotos her bekannte Fudschijama herüberwinkte. Ein opulentes Mittagsessen gab es in dem ländlichen Speiserestaurant, wo inox-glänzende Waschtrommeln als Lampen über den Tischen hingen. Das Essen war vorzüglich und nahm kein Ende. Später erging man sich am "Strand", ein kleiner Streifen aus schwarzem Kies und grauer Asche. Erstaunlicherweise kriegt man da keine schmutzigen Füße. Ein Besuch im Museum, das im ehemaligen Jesuitenkolleg untergebracht
ist, war der krönende Abschluss auf dieser Insel, die mir sehr reich
und geschichtsträchtig erschien. Neben christlicher Kunst, also geschnitzten
alten und kostbaren Heiligenfiguren, neben Antiquitäten, Möbeln,
Porzellan, Sänften und Kleidern (z. B. dem Capote, dem schwarzen
Umhang mit der überdimensionalen Kapuze für Damen der oberen
Schicht), gab es auch viel Aktuelles und Zeitgenössisches zu sehen.
Auf der Fähre unterhielten wir uns mit einem dicken schwarzen Amerikaner, auf dessen T-Shirt "HAWAI" stand und der so nett mit seiner kleinen Tochter redete. Diese kleine Stefanie spielte Billettverkäuferin und fragte: "Mein Herr, wieviele Kinder haben Sie?" Da blinzelte der Daddy, rechnete angestrengt nach und sagte dann: "Nineteen". Das fand ich lustig und hinreißend liebenswert und lohnend, um mit solchen Leuten (die Frau kommt von Faial) Freundschaft zu schließen. Sie leben in Ford Lauderdale/Florida. Abends wieder im Restaurant Parisiana, wo anschließend eine Folkloregruppe
musizierte, tanzte und sang. Die Männer - sie nennen sich stolz Picotas,
nicht Miguelenses oder Terceirenses oder Faialenses, nein, ihr Name ist
etwas Besonderes: Picotas! - tragen Strohhüte, graue Leinenanzüge
und Schafwollsocken. Ihre Schuhe sind Lederflecken, die mit Lederbändern
am Fuß verschnürt werden. Fortsetzung folgt |
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