Mein erster Verlagsvertrag!

  

Barbara Seuffert vorgestellt von Wolfgang Ehrhardt Heinold:

Mein erster Verlagsvertrag!

Von der schreibenden Pfarrfrau in Deutschland zur Selbstverlegerin in Portugal

Wie kam es zu Ihrem oder Deinem ersten Verlagsvertrag? Jedes Mal, wenn ich diese Frage stelle, enthüllt sich mir ein individuelles Lebens- und Autorinnenschicksal. Einen standardisierten Weg zum Veröffentlichen von Büchern gibt es offensichtlich nicht.

Ich treffe Barbara Seuffert und ihren Mann, den Pfarrer i. R. Hagen Seuffert, in einem Ort mit dem schönen Namen Carregosa-Vagos. Er liegt in der Mitte von Portugal in der Nähe der Küstenstadt Aveiro. Dort steht ihr geräumiges Haus, Baujahr 1940, ein ehemaliger Bauernhof mit großer Toreinfahrt, einer Scheune und anderen Nebengebäuden und einem riesigen Obst- und Gemüsegarten. Überall blüht und duftet es. Orangen, Pampelmusen, Pflaumen und Zitronen kommen frisch von eigenen Bäumen direkt auf den Tisch. Die Wände des Hauses sind voll von Bildern und Zeichnungen von Verwandten und Bekannten, die ebenso kreativ sind wie die Hausbesitzer.

"Ich habe immer schon geschrieben", sagt Barbara Seuffert im Rückblick. Schon als pommersches Flüchtlingskind habe sie noch vor dem Schreibenlernen versucht, ein Buch abzuschreiben, indem sie die Buchstaben nachmalte. Weißes Papier gab es in den mageren Nachkriegsjahren nicht. So schrieb sie auf die Innenseiten jener mit blauen Sternchen bedruckten Tüten, in denen "Nährmittel" (so hieß das damals) verkauft wurden. Diese Schreibleidenschaft hat sie nie verlassen.

Am Anfang ihrer Karriere als Schriftstellerin stand eine Krebserkrankung. Die Ärzte bezeichneten ihre Lebenserwartung als gering. Das war im Sommer 1983. Barbara ordnete ihren "Nachlass". Einen Stapel mit unveröffentlichten Texten über ihr Leben als Pfarrfrau übergab sie ihrem Mann zum Verbrennen. Der aber verbrannte sie nicht. Über meinen Vergleich, dass das Max Brod mit Franz Kafkas Manuskripten ebenso wenig getan habe, muss sie lächeln. Hagen Seuffert jedenfalls las die Texte. Ihm fiel ein, dass das Gütersloher Verlagshaus in seiner Taschenbuchreihe GTB-Siebenstern eine Abteilung "Humor im Pfarrhaus" eingerichtet hatte. Dahinein schienen ihm die Texte seiner Frau zu passen. Er schickte den Stapel ein und erhielt die Antwort, dass die Texte gefielen, aber man daraus lediglich eine Auswahl von 80 Druckseiten veröffentlichen könne. Barbara Seuffert fragte vom Krankenbett aus an, wann man denn das Büchlein bringen wolle. "Im Frühjahr", war die Antwort. Bis dahin schaffe ich es noch, sagte sie sich und unterschrieb ihren ersten Verlagsvertrag unter der Bedingung, die Auswahl selbst vorzunehmen. "Fröhlich soll mein Herze springen", sang sie vor sich hin, und schon war der Titel geboren: "Fröhlich soll die Pfarrfrau springen". Als zweiter Band folgte, ebenfalls in Anlehnung an ein Kirchenlied: "Unsern Pfarrer segne Gott, unsere Pfarrfrau gleichermaßen".

Wir dürfen uns Barbara Seuffert aber nicht als "Heimchen am Herde" vorstellen, das lediglich amüsant über ein Dasein als "Erfüllungsgehilfin" des Eheherrn zu plaudern weiß. Die studierte Theologin und Germanistin ist Oberstudienrätin für Deutsch und Religion außer Diensten und hat vier Kinder großgezogen, eigene und adoptierte. Sie hatte das Glück der Tüchtigen: Ihr Erstling wurde ein Erfolg, auch weil der Verlag die populäre "Emma"-Karikaturistin Franziska Becker mit der Umschlagzeichnung beauftragte. Das Buch erreichte bei GTB-Siebenstern drei Auflagen, eine vierte in der Edition Anker.

Erfolg gebiert Erfolg. Die alte Regel gilt auch für diese Autorin. Plötzlich war sie bei evangelischen Verlagen gefragt. Im katholischen Patmos Verlag veröffentlichte sie Kinderbücher. Insgesamt kann sie über 30 Publikationen vorweisen. Eine stolze Bilanz! Aber wie das Autorenschicksal so spielt: Bei GTB-Siebenstern wechselte der Lektor, einer ihrer Verlage, der altschwäbische Steinkopf Verlag wurde an den Evangelischen Pressverband Kiel verkauft, und Patmos ging an die Weltbildgruppe. Inhaberwechsel, Lektorenwechsel, die Autorin ohne das vertraute Gegenüber im Verlag: das alte Spiel (siehe federwelt 95, Mein erster Verlagsvertrag, Ursula Kirchberg).

Barbara Seuffert stand plötzlich vor lauter verschlossenen Verlagstüren. Als sie gar Texte über ihre neue Heimat Portugal anbot (das zweisprachige "Portugiesische Tagebuch - Diário Efémero", "Der Portugiese ist der beste Liebhaber oder Mein Casanova ist blau"), rief das nur ein müdes Lächeln auf den Gesichtern der Verlagsleute hervor: Zielgruppe viel zu klein, wer interessiert sich schon für das Land am südwestlichen Ende von Europa? Eine Autorin in ähnlich grottenschlechter Situation hatte ihr erzählt, dass sie mit dem Verleger habe schlafen müssen, um einen Verlagsvertrag zu erhalten. "Gleich auf dem Schreibtisch, weil keine Couch zur Hand war." Barbara Seuffert sagte sich: "Da mache ich doch gleich den Mann, mit dem ich ohnehin schlafe, zu meinem Verleger." Die Idee zum Selberverlegen war geboren, die in Deutschland und Portugal angesiedelte Luazul Editora entstand.

Der 1998 gegründete Verlag publiziert Texte der Autorin in deutscher und in portugiesischer Sprache, sogar ein Krimi "Seltsamer Tod eines Padre" ist darunter, der einen ungeklärten Todesfall aus einem benachbarten Altenheim aufgreift. Barbara fand damit Anschluss an die Autorinnengruppe "Die mörderischen Schwestern" (siehe federwelt xx/xxxx) und wurde "Schriftstellerin des Jahres" bei der Buchmesse 2003 in Vagos/Portugal.

Gedruckt wird in kleinen Portionen im PoD-Verfahren (=Publishing-on-Demand, siehe "Traumziel Buch", Uschtrin Verlag, 17.Kapitel). Der Selbstverlag kalkuliert nach der Formel "Herstellkosten x 2 = Ladenpreis). Rabatt entfällt mangels Nachfrage aus dem Vertriebsweg Buchhandel. Auch das Internet ist eine Enttäuschung. Motor der Verkäufe sind Veranstaltungen und Lesungen. Barbara hatte schon als Jungautorin die Verkäufe durch eigene Lesungen angekurbelt, damals vor allem in Gemeinden, Frauenkreisen, Buchhandlungen und Schulen.

Was sich seinerzeit im kirchlichen Alltag bewährt hat, ist nun zum Hauptvertriebsweg ihres Selbstverlages geworden. Barbara Seuffert ist damit zufrieden, zumal sie ihre Kräfte für den Kampf gegen den Krebs braucht. Dank der Aktivitäten und positiven Perspektiven überstand sie auch die zweite und dritte lebensbedrohende Krebserkrankung, die Operationen und monatelangen Chemotherapien. Sie kann nach Herzenslust schreiben, ihre Texte werden gedruckt und finden ihre individuellen Wege zu ihrem Stammpublikum und zu neuen Leserinnen und Lesern.

Und die Schlussfolgerung: Auch wer auf Anhieb mit seinem Erstling Erfolg hat, kann den ständigen Veränderungen im Verlagswesen zum Opfer fallen. Der Selbstverlag und tatkräftiges Eigenmarketing, in diesem Falle mit dem Lebenspartner als Stütze, sind durchaus eine Alternative zum frustrierten Beiseitestehen.

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Links:

www.luazul.com
www.federwelt.de
www.uschtrin.de

© Wolfgang Ehrhardt Heinold, Appener Weg 3 B, 20251 Hamburg, www.heinold-fachautor.de