Rezensionen

Barbara Seuffert: Eine portugiesische Hochzeit und viele Zutaten
ISBN 978-3-981136-2-9            (kart. 8,50 €)


Diário Efémero

Eine portugiesische Hochzeit und viele Zutaten - Rezension I

Das ist kein neuer Reiseführer, das ist auch kein Handbuch für Wedding-Planer: Barbara Seufferts jüngster Streich, „Eine portugiesische Hochzeit und viele Zutaten“, ist schlicht eine höchst amüsante Reise in die portugiesische Seele. Die Autorin pendelt seit Jahren zwischen Mainz und Carregosa, einem winzigen Dorf irgendwo im Hinterland von Lissabon und Porto, nicht weit vom Atlantik, weit genug entfernt von jedem Touristenstrom. Sie hat dieses Land und diese Menschen lieben gelernt – und sie lässt ihre Leser, wie auch schon in den früheren Büchern „Der Portugiese ist der beste Liebhaber“ oder ihrem „Portugiesischen Tagebuch“ an dieser Liebe teilhaben. So lernen wir Maria kennen, die seit Monaten voller Inbrunst die Hochzeit ihrer Tochter plant, und ihren Mann Manuel, der nicht viel zu bestellen hat, ihr aber hin und wieder ihre Lieblingskuh klaut, um sie beim Schlachter zu verwursten. Die Autorin, vertraute Fremde, wird eingeweiht in die tiefsten Geheimnisse einer eifersüchtigen Brautmutter, die ihre Nachbarn ausstechen, ihre Verwandten übertrumpfen, ihre Freunde beeindrucken will mit dem schönsten Fest, das diese kleine Welt je gesehen hat. Barbara Seuffert beobachtet sehr genau, voller Empathie, aber aus durchaus ironischer Distanz: Sie zeichnet die Szenen dörflichen Lebens mit klugem Witz, und sie verbirgt ihre heimliche Trauer darüber nicht, dass uns diese alten Traditionen längst verloren sind. So formt sich aus ihren feuilletonistischen Skizzen unversehens ein Bild der portugiesischen Seele, das dem Touristen sonst verborgen bleibt, und das sich selbst Deutschen, die dort in südlicher Sonne siedeln, nur selten offenbart. Besondere Ehre: Maria verrät der fremden Freundin – und die verrät es ihren Lesern - ihr streng gehütetes Rezept für Klippfisch-Kroketten: So bekommt dieses Buch zugleich noch einen ganz anderen praktischen Nutzwert. Wer Portugal bereisen und das Geheimnis des Landes erspüren will, kommt neben einem anständigen Reiseführer um dieses Buch nicht herum, auch wenn er gerade keine Hochzeit plant.

Jochen Mangelsen

 

Eine portugiesische Hochzeit und viele Zutaten - Rezension II

Wer Gelegenheit hatte, sich in Portugal umzusehen, weiß, wie sehr die Geschichten Barbara Seufferts „stimmen“. Es sind Geschichten der Leute vom Lande im „alten Portugal“, das es nicht mehr lange geben wird, dessen Traditionen wir hier bröckeln sehen. Aber sie begreifen auch die Charaktere ihrer Personen, erklären von Grund auf bestimmte Eigentümlichkeiten, die noch lange die Selbstverständlichkeit des portugiesischen Daseins prägen werden. Dessen Essenz spiegelt sich in den Augen der Autorin, einer protestantischen Pfarrersfrau aus Pommern, und teilweise kontrastiert durch die Gepflogenheiten eines fernen Landes, die übrigens keineswegs minder eigentümlich scheinen. (Hier wird anschaulich aufgezeigt, wie durch Sympathie und Interesse interkulturelle Kommunikation funktioniert.)

In der Atemlosigkeit der Eingangsgeschichte tritt die Hauptfigur Maria, die Mutter der zukünftigen Braut (die ihrerseits, ein modernes Mädchen, kaum in Erscheinung tritt), so lebendig vor uns, dass wir ihr mit persönlichem Interesse durch das Büchlein folgen, kapitelweise durch die Traditionen und Gepflogenheiten des Landes. Wir erfahren von Häusern, von Wohnweise und Dekorationssinn, von der Küche des Landes samt ihren eigentümlichen Gerichten und Zubereitungsweisen, von Festen, von Sitten und davon, wie sie mit der neuen Generation verschwinden, von Erfahrung und altem Wissen, von der nur indirekt ausgedrückten Gefühlswelt, von den kleinen Überbietungsmanövern stolzer Landleute, von ihren Listen, ihren Leiden, von ihrer immanenten Zähigkeit und Vitalität, von ihrer grundsätzlichen Gutmütigkeit.

Diese kleinen Geschichten, Erlebnisse, Reflektionen, mit leichter Hand geschrieben, doch bewusst und einprägsam gesetzt, ausgewählt und komponiert, sind auch eine Kritik der Entleerung und Einebnung der Traditionen durch ein Neues, das oft unreflektiert als das Bessere akzeptiert wird. Schon die junge und meist verstädterte Generation folgt den Gebräuchen oft nur noch in einem äußerlichen Sinne und destruiert sie in der Wirklichkeit – so in beiden Erwähnungen anderer Hochzeiten (in „Das dicke weiße Hochzeitsalbum“ und in „Der schönste Tag in Marias Leben“, wo der Hochzeit der Tochter in besonderer Ironie eine missglückte Hochzeit entgegengestellt wird – die Ursache für das Verschwinden von Marias Sohn). Dennoch gibt es Hoffnung. Sie gründet im Eigenwillen der Personen, in einem gleichsam eingekapselten Lebensverständnis, das unantastbar scheint und in den Geschichten von „Emigranten“, traditionsverloren und -gewiss zugleich, zur Geltung kommt, aber auch bei der Hauptfigur selbst, die wie unbewusst bereits zahlreiche Veränderungen mitlebt (Kleinfamilie versus Großfamilie zum Beispiel) und sie doch wieder zu eigentümlichen Sitten formt (ganz paradox gezeigt beim Thema Hochzeitsalbum versus früheres Brautbild). Eine reizvolle Einführung in das Verständnis der Landleute Portugals von heute.

Irmgard Heidler, Cascais